Endlich war es soweit! Nach vielen Vorbereitungen und Besprech ungen konnte nun die Reise beginnen. Die 16 Ruderkameraden (einschließlich der zwei Kameraden vom RV Collegia) trafen sich zu früher Stunde um 6.45 Uhr im Flughafengebäude in Tegel. Nach der allgemeinen Begrüßung wurde ein Schluck auf den Geburtstag von Dieter F. getrunken. Bei der Abfertigung gab es zuweilen Schwierigkeiten wegen der mitgeführten Rettungswesten, die gasgefüllte Patronen enthielten.
Zur Begrüßung an Bord der Maschine der „Air Berlin“ wehte mir kräftig „Berliner Luft“ entgegen: Auf die Frage nach anderen als den auf dem Tischchen liegenden Zeitungen antwortete die Stewardess:
„Sind wir hier am Kiosk?“
Nach ruhigem Flug wurden wir in Wien von zwei Kleinbussen zum Quartier gebracht. Da wir zu so früher Stunde – ca. 9 Uhr – unsere Zimmer noch nicht beziehen konnten, wurde das Gepäck in einem Raum eingeschlossen, versehentlich zusammen mit Dieter F., der sich durch lautes Klopfen, das wir beim Weggehen gerade noch mitbekamen, bemerkbar machte.
Sogleich ging es weiter mit Straßenbahn und Bus in die Innenstadt zum Treffpunkt für die Stadtrundfahrt. Die kulturelle Vielfalt und über 2000 Jahre Geschichte wurden uns während einer Busrundfahrt vermittelt. Zwei der vielen Höhepunkte waren die Besichtigung des Hundertwasser-Hauses mit seiner bunten Architektur und Naturverbundenheit sowie der Besuch des Stephansdomes in seiner gewaltigen Dimension. Wir haben die 343 Stufen bis zum Aussichtsturm in 70 Metern Höhe erklommen und genossen die Aussicht.
Zwischendurch hatte sich Mittagshunger eingestellt. der in den unterirdischen Gewölben des Restaurants „Fiqlrnüller“ gestillt werden konnte. „Fiqlrnüller“ ist für seine Riesenschnitzel – auch Elefantenohren genannt – bekannt. Einige der Kameraden konnten ihre Portion nicht schaffen.
Der Nachmittag stand zur freien Verfügung und wurde zum Bummeln, Cafehausbesuch oder einfach als Ruhepause nach frühem Aufstehen genutzt. Die Rückfahrt zur Einnahme der Zimmer erfolgte gemeinsam. Zum Abendessen und Ausklang des Tages trafen wir uns in einer „Wienerwald“-Gaststätte, die in der Nähe unserer Unterkunft lag.
Am 2. Tag ging es schon um 7.15 Uhr mit dem Bustransfer nach Donauhort zum Wiener Re. Dort wurden wir von Manfred Klein erwartet.
Manfred Klein, der neben anderen Siegen 1988 als Steuermann zur Goldmedaille des Achters beitrug, war wesentlich an der Gestaltung unserer Fahrt beteiligt. Nicht nur, dass er uns in seinem Haus in Kimle Unterkunft bieten konnte, stellte er uns auch die notwendigen Boote zur Verfügung. Darüber hinaus sollten die guten Kenntnisse und Verbindungen von Manfred und seiner ungarischen Frau zum Gelingen der Fahrt beitragen.
Nach kurzer Begrüßung durch Manfred Klein übernahmen wir unsere Boote und machten sie ruderfertig, während unser Gepäck im Fahrzeug von M. Klein versorgt wurde. Schließlich konnten wir so rechtzeitig ablegen, dass wir die Schleuse Nussdorf vor 9 Uhr erreichten.
Auf dem Donaukanal ruderten wir durch das Zentrum von Wien mit seiner einmaligen Architektur. Nach 17 Kilometern mündete der Kanal in die Hauptdonau. Auf dem breiten Fluss ging es bei erheblicher Strömung gut voran.
Um 12 Uhr machten wir bei Orth Pause.
An der Mündung eines kleinen Nebenflusses gegenüber einer alten Schiffsmühle bot eine von Bäumen beschattete Wiese Gelegenheit. unser Lunchpaket zu verzehren. Da nun die Kappenordnung galt. gab es die ersten Lacher über Kameraden, die die Regeln (trinken mit Kappe, essen ohne Kappe) nicht genügend beachteten. Einigen gelang in der Pause sogar ein Schläfchen.
Um 13 Uhr wurde zur Weiterfahrt wieder abgelegt. Durch die etwas gleichförmige Donau-Auenlandschaft kamen wir vorbei an Hainburg, der mittelalterlichen Stadt. mit ihrem Schlossberg. Gleich dahinter lag der Braunsberg, auf dem sich in alter Zeit eine keltische Siedlung befunden hat. Links nach der Mündung der March (Morava) begann nun die Slowakei mit der Stadt Devin. Ihre große Burg am Ufer war gut zu sehen. Ab Hainburg änderte sich die Landschaft. Bewaldete Hügel zeigten sich.
Nach der Ankunft bei einem Wassersportverein in Bratislava (ca. 16 Uhr) mussten die Boote wieder abgeriggert und verladen werden. Dabei wollte eine Mutter sich nicht von der Schraube lösen. Erst mit einem Trennschleifer konnte das Problem beseitigt werden. Beim Transport nach Kimle hatte der Fahrer mit heftigem Verkehr um Bratislava zu kämpfen. Zum anderen ging der Motor des Busses mehrfach aus, so dass sich die Befürchtung breitmachte. dass wir auf der Straße liegen bleiben. Aber nachdem der Fahrer mitbekommen hatte, dass die Störung nur im 4. Gang eintrat. konnten wir Kimle ohne weitere Schwierigkeiten erreichen. Dieser Ort sollte uns Quartier für die nächsten fünf Nächte bieten.
Das üppige Abendessen nahmen wir auf der Veranda eines Landgasthauses ein. Da Verpflegung und Unterkunft gut waren, herrschte allgemeine Zufriedenheit.
Am 3. Tag wurden die Boote nach Rajka gebracht und wieder aufgeriggert. Wir ruderten nun auf der Mosoni-Donau weiter. Dieser Nebenarm der Donau mit vielen engen Flusswindungen und dicht ans Wasser reichenden Ästen der Bäume verlangte den Steuerleuten volle Aufmerksamkeit ab. Trotzdem zog sich ein Kamerad durch einen zu tief hängenden Ast eine Strieme im Gesicht zu. Der Anblick dieser verhältnismäßig leichten Verletzung führte bei den Kameraden natürlich zu spöttischen Bemerkungen nach dem Motto: Bei welcher Schlägerei hast du dir denn das zugezogen?
Die Mittagspause fand in einer kleinen Gaststätte am Wasser in Halaszi statt. Die Weiterfahrt wurde bei Mosonmagyarovar kurz unterbrochen, da die Boote um ein Wehr getragen werden mussten. Weiter ging es durch eine urwaldähnliche Gegend, weitgehend naturbelassen mit Baumresten im Flusslauf. In Kimle wieder angekommen erwartete uns ein von Manfred Klein und Frau vorbereitetes Abendessen. Es gab zünftiges Kesselgulasch, dazu ungarischen Weiß- und Rotwein. Beim anschließenden Zusammensein entpuppte sich Markus als richtiger Märchenerzähler mit beinahe glaubwürdigem Gesicht. Manfred Klein erzählte uns aus seiner Zeit als Steuermann im Achter und wie er mit seiner Mannschaft 1988 die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Seoul gewann. – Wie wir erfuhren, sind die Rennachter so leicht. dass zwei Ruderer sie mit einer Hand in die Höhe stemmen können. Jeder Sitz muss ein Gewicht von ca. 100 Kilogramm tragen. Ohne wissenschaftliche Mitarbeit ist ein solches Boot nicht konstruierbar.
Am Morgen des 4. Tages hatte ich mich an die Geräusche meiner dörflichen Umgebung langsam gewöhnt. Um 5 Uhr Läuten der Kirchenglocken, davor und danach Hundegeheul und Hähnekrähen. Eine richtige Idylle! Die Fahrt ging weiter von Kimle nach Györ. Die urwüchsige Landschaft veränderte sich nicht. Das Fahrwasser blieb schwierig. Schließlich wurde einem Boot durch ein Unterwasserhindernis das Steuer herausgehebelt. Da die Boote möglichst in Sichtweite fuhren, konnte durch ein anderes Boot schnell Hilfe geleistet werden.
Die selbstversorgte Picknickpause um 12 Uhr war bei Dunaszentpal Um 16 Uhr kamen wir beim RC Györ an. Für Györ war eine Überraschung angekündigt worden. Die Neugier darauf war offenbar so groß, dass auf die von Manfred Klein angebotene kurze Besichtigung der Altstadt verzichtet wurde. Vielmehr wollten fast alle möglichst schnell zu dem Freiluftrestaurant am Marktplatz, wo Plätze reserviert waren. Vor dem Abendessen fand dann für uns eine folkloristische Tanzdarbietung statt. Erika Klein hatte sie arrangieren lassen. Die Vorführung wurde mit großer Begeisterung aufgenommen. Einzel- und Gruppentänze wurden meisterlich dargeboten. Es war ein Genuss! Nach dem Essen fuhr uns der Bus zurück nach Kimle.
Der 5. Tag war ruderfrei! Der Bus brachte uns nach kurzer Fahrt nach Bratislava direkt zur Burg. Von dort hatte man eine weite Sicht hinüber nach Österreich und Ungarn. An der Burg erwartete uns ein qualifizierter Fremdenführer, der uns in zweieinhalb Stunden seine Stadt vorstellte. Liebevoll machte er uns mit der Historie, der gegenwärtigen politischen und wirtschaftlichen Situation und den wichtigsten Sehenswürdigkeiten bekannt. Eine Fülle von geschichtlichen Daten prasselte auf uns ein.
Zum Mittagessen suchten wir ein historisches Restaurant auf. Danach wurde in kleinen Gruppen die Stadt auf eigene Faust erkundet. Durch die Eishockey-Weltmeisterschaft war die Stadt gut besucht.
Bratislava ist eine schöne lebendige Stadt mit bemerkenswerter Architektur, vielen Restaurants und gemütlichen Cafes. Schöne Geschäfte laden zum Bummeln ein. Um die Stadt aber richtig kennenzulernen, sollte man erheblich mehr Zeit haben.
Für die Rückfahrt um 16.30 Uhr trafen sich alle wieder am ausgemachten Platz an der Donau. Zum Abendessen fuhren wir zu einer Gaststätte für Kanuten in Kimle. Das Essen war extra für uns bestellt worden. Eine reichhaltige Tafel mit verschiedenen Fleischgerichten und Beilagen, dazu Suppen und Dessert stand für uns bereit. Alles gute Hausmannskost! Es war nicht zu schaffen. Dann ein Scheidebecher bei Manfred Klein. Erstmals hatte es gegen Abend kurze Schauer gegeben.
Am 6. Tag ging es bei leichtem Regen von Györ mit den Booten weiter. Kurz hinter Györ erreichten wir nun wieder die Hauptdonau. Bei dem breiten Strom mit seinem Schiffsverkehr mussten die Steuerleute sehr aufpassen. Auch das rechtzeitige Ausweichen der scheinbar plötzlich auftauchenden Bojen bereitete zuweilen Schwierigkeiten! In Gönyü war Mittagspause. In einer urigen Gaststätte konnten wir unsere Selbstverpflegung einnehmen. Die Getränke wurden beim Wirt geordert.
Das Wetter hatte sich inzwischen gebessert. Wir fuhren weiter in der gewohnten Flussauenlandschaft. Unser Ziel war der Kanuverein in Komarno. (slowakische Seite). Leider erwischten wir eine falsche Einmündung und bemerkten den Fehler erst. nachdem der recht große, aber sehr öde Hafen von Komarno durchquert worden war. Also zurück zur Donau gerudert und in die Mündung des Flusses Vah. Nach drei Kilometern flussaufwärts bei kräftigem Gegenwind waren wir endlich am Ziel. Von dort ging der Transfer mit dem Bus zum Abendessen in einem originellen ungarischen Restaurant in der Nähe von Gönvü. Wir aßen zu Zigeunermusik. Das Angegeigtwerden war für uns etwas ungewohnt. Aber die Musik verbreitete ungarische Atmosphäre.
Zurück in Kimle nahmen wir von Manfred Klein und Frau „offiziell“ Abschied und überreichten als kleines Dankeschön das Blatt eines Skulls mit unseren Unterschriften – Die angenehme und bequeme Unterkunft im Hause Klein wird allen in guter Erinnerung bleiben.
Am 7. Tag ging es wieder früh los. Das Gepäck musste nach Esztergom, und wir mussten zu den Booten in Komarno. Dort legten wir um 10 Uhr ab. Pause war in Piszke kurz vor 13 Uhr mit Selbstverpflegung.
Um 14 Uhr weiter nach Esztergom. Um 16.10 Uhr kamen wir dort an. Nach Ablegen der Boote auf dem Gelände des Ruderclubs gingen wir zu Fuß zu unserer Pension. Das Gepäck war schon da. Wir konnten die Stadt auf eigene Faust erkunden.
Esztergom hat seine besseren Zeiten hinter sich. Viele Bauwerke stammen aus der k. und k.-Zeit. sind aber vernachlässigt. Die Basilika allerdings ist sehenswert.
Das Abendessen fand in einem landestypischen Restaurant statt. Der Versuch, hinterher noch woanders ein Eis zu essen, scheiterte, da alles geschlossen war.
Am 8. Tag brachen wir mit den Booten um 9 Uhr auf. Die Landschaft wurde jetzt hügeliger. Die Burg Visegrad ragte auf der rechten Seite der Donau hoch. Sie gilt als ein wichtiges Denkmal der ungarischen Renaissance. Danach verließen wir den Hauptstrom und ruderten auf der Szentendre-Donau weiter. Pause in Tahitotfolu mit Selbstverpflegung.
Um 17 Uhr erreichten wir Külk. Die Boote konnten in einem Ruderclub abgelegt werden. Nach kurzer Pause in einem Gartenlokal kamen wir zu Fuß in unserem Hotelschiff an. Es ist ein alter russischer umgebauter Schaufelraddampfer von imposanten Ausmaßen. Unser Gepäck war gut angekommen. Die Zimmer waren bequem. Zum Abendessen trafen wir uns am geräumigen Heck und hatten einen schönen Blick in Richtung Budapest. Bei einem malerischen Mondaufgang verklang der Tag.
Am 9. Tag begann die letzte Ruderetappe. Die Fahrt durch Budapest führte an vielen bekannten Sehenswürdigkeiten vorbei – wie der ca. drei Kilometer langen Margareteninsel. der Margaretenbrücke, dem monumentalen Parlamentsgebäude, der Heiligenfigur St. Geliert und der BudaBurg -, um nur das Wichtigste zu nennen, was beim Rudern zu sehen ist. Schließlich war das Ziel Szazhalombatta erreicht. Dort wurden die Boote abgeriggert und an Manfred Klein zurückgegeben.
Nach einem Fußmarsch von vier Kilometern konnten wir mit der Regionalbahn nach Budapest fahren. Vom Bahnhof ging es mit Taxen zu dem Hotel „Citadella“ auf dem Geliertberg. Wir wohnten in ehemaligen Kasematten der alten Festungsanlage.
Abends aßen wir in einem Restaurant mit folkloristischen Darbietungen. Von der Burg hatten wir einen herrlichen Blick auf die prächtig illuminierte Stadt.
Der 10. Tag war wieder einmal Kulturtag. – Das Frühstück konnten wir dank des Verhandlungsgeschicks eines Kameraden im Restaurant neben dem Hotel einnehmen. Gestärkt bummelten wir in die Stadt zum Ausgangspunkt der Busrundfahrt und warfen dabei einen Blick in die Markthalle. Die Besichtigungsfahrt dauerte ca. drei Stunden und vermittelte einen guten Überblick. Sodann besuchten wir kurz das Parlamentsgebäude mit seiner prächtigen Ausstattung. Das Parlamentsgebäude, das größte Bauwerk Ungarns, ist 268 Meter lang und 123 Meter breit. Im Kuppelsaal – die Kuppel ragt 96 Meter hoch – sind die ungarischen Krönungsinsignien mit der Stephanskrone ausgestellt. Die prachtvolle Innenausstattung ist äußerst beeindruckend.
Bei dem weiteren Stadtbummel mussten wir vor einem kurzen Regenschauer unter die Markisen eines Cafes flüchten. Beendet wurde der Tag im ‚Trofea-Grill“. wo zum festen Preis beliebig gegessen und getrunken werden konnte. Zurück in das Hotel ging es Je nach Wahl: zu Fuß, mit dem Taxi oder den öffentlichen Verkehrsmitteln. In Budapest können übrigens Personen ab 65 Jahre mit den Verkehrsmitteln kostenlos fahren.
Am 11. und letzten Tag bedankte sich der Fahrtenleiter Bernd beim Frühstück bei seinen Helfern. Erwähnt wurde, dass Marc und Franz ohne zu steuern die ganze Fahrt nur gerudert haben. Markus kündigte an, dass als Dank für Bernd im Herbst ein Ungarischer Abend gestaltet werden soll. Kurz vor 11 Uhr brachen wir mit dem Bus auf und erreichten gegen 14 Uhr den Flughafen Wien-Schwechat. Bei der Abfertigung hatten einige Kameraden wieder Schwierigkeiten wegen der Rettungswesten. Schließlich landeten wir fast pünktlich – 18.20 Uhr – in Tegel. und Berlin hatte uns wieder.
Zusammenfassend können wir sagen, dass die Reise perfekt organisiert war. Insbesondere die Beförderung des Gepäcks zu den verschiedenen Quartieren klappte hervorragend. Die Fahrt war in jeder Hinsicht interessant und unter sportlichen Gesichtspunkten anspruchsvoll – immerhin wurden 365 Kilometer gerudert. Da auch das Wetter fast nur sonnig war, ist wohl jeder Wunsch erfüllt worden.
Erhard Panten / Jürgen Hass
Download hier: Donaufahrt Mai 2011