Arkona Blog

Vogalonga 2023 Berlin und Hessen

von | Jul 13, 2023 | 2023, Breitensport, Wanderfahrt

Es gibt Men­schen, die müs­sen jedes Jahr den Ber­lin-Mara­thon lau­fen, ande­re schmei­ßen pünkt­lich am 1. Mai in Kreuz­berg Schau­fens­ter­schei­ben ein. Eber­hard Trem­pel muss unbe­dingt regel­mä­ßig bei der Voga­lon­ga mit­ru­dern, mög­lichst jedes Jahr ein­mal. Feh­len nur noch die Mit­strei­ter. Kein Pro­blem, bei der RU Arko­na gibt es genug Getrie­be­ne, die dem Wahn­sinn ger­ne mal die Hand reichen.

Da aus der Erfah­rung von 2019, als das eine oder ande­re Ruder­boot ver­senkt wur­de, gelernt wird, muss eine Bar­ke her. Das wird orga­ni­siert, und Albert und Rei­ner Ohm sind so hilfs­be­reit wie naiv, das Gerät mit Eber­hard über die Alpen brin­gen zu wol­len, was mit tie­fen Ker­ben in der See­le letzt­lich gelingt. Der klei­ne Anhän­ger­scha­den, der auf den letz­ten Kilo­me­tern auf dem Lido ver­ur­sacht wird, wird aus der gut gefüll­ten Por­to­kas­se der Rei­sen­den begli­chen (oder zahlt doch eine Versicherung?).

Mitt­woch­nacht tref­fen zuerst die fünf Flie­gen­den ein, die sich eine Was­serta­xe zum Hotel leis­ten. Schnell und teu­er, aber man gönnt sich ja sonst nur wenig.

Die drei Trans­port­ar­bei­ter errei­chen im Lau­fe des Don­ners­tag mit Müh und Not das Hotel und

am Don­ners­tag­abend schließ­lich tref­fen auch die letz­ten Rei­sen­den, natür­lich die Bum­mel­bahn-Fah­rer (bei Hin- und Rück­fahrt jeweils auf die Minu­te pünkt­lich!!) Karel und Klaus auf dem Lido ein und bege­ben sich umge­hend ins Restau­rant, wo die rest­li­che Mann­schaft schon einen unauf­hol­ba­ren Vor­sprung beim Kon­sum leich­ter bis mit­tel­schwe­rer alko­ho­li­scher Geträn­ke hat.

Am Frei­tag soll nach dem für ita­lie­ni­sche Ver­hält­nis­se opu­len­ten Früh­stück die Bar­ke pro­be­wei­se zu Was­ser gelas­sen wer­den. Aus unklar blei­ben­den Grün­den ver­schie­ben wir die Pro­be­fahrt auf 16 Uhr, um die kli­ma­ver­än­der­te Hit­ze auch rich­tig aus­zu­nut­zen. Da sich spon­tan eine lan­ge Pau­se ohne Pro­gramm erge­ben hat, wird für den Abend ein­ge­kauft und man ver­treibt sich nach die­ser Anstren­gung die Zeit mit dem Blick aufs Was­ser (immer­hin Vene­dig im Hin­ter­grund), man macht eine Rad­tour auf dem Lido, nimmt even­tu­ell einen Hap­pen zu sich, trinkt viel­leicht schon einen Ape­rol Spritz (nie mehr als 3,50 € aus­ge­ben!) oder pro­biert die Kli­ma­an­la­ge im Hotel aus (funk­tio­niert wun­der­ba­rer Weise).

Als die Grup­pe dis­zi­pli­niert um kurz vor 16 Uhr am Ruder­ver­ein mit dem wun­der­schö­nen Namen „Canot­tie­ri Diadora“ankommt, ist alles ver­waist und unter der Hand wer­den Wet­ten ange­nom­men, mit wie vie­len Stun­den Ver­spä­tung wohl der Ruder­chef nach sei­ner aus­gie­bi­gen Sies­ta zu erschei­nen gedenkt. Als um Punkt 16 Uhr die Roll­lä­den von innen geöff­net wer­den und der Meis­ter des Krans lächelnd erscheint, sind wir baff. Wahr­schein­lich heißt er im Volks­mund „Il tedes­co – der deut­sche“! Es gibt schlim­me­res. Nach dem per­fek­ten Zu-Was­ser-las­sen mit­hil­fe des für Vene­dig typi­schen Krans,

 machen wir eine 10-km-Pro­be­fahrt, die aus­ge­spro­chen pro­blem­los ver­läuft. Immer­hin haben fünf Mit­ru­dern­de noch nie in einem Rie­men­boot geses­sen. Bei der Fahrt durch die Lagu­ne müs­sen wir nur auf die Reu­sen auf­pas­sen. Wir fah­ren zum San-Gior­go-Canal (zwi­schen den Inseln Gui­dec­ca und San Gior­go), der nur weni­ge hun­dert Meter vor dem überm­or­gi­gen Start­platz ent­fernt liegt.

Beim abend­li­chen Pick­nick auf dem Kai an der Lagu­nen­sei­te bleibt nie­mand hung­rig, auch die recht zahl­reich erschie­nen Schma­rot­zer namens Stech­mü­cken nicht.

Der Sonn­abend vor dem gro­ßen Event gehört dem Müßig­gang. Mit mit­tel­gro­ßer Grup­pe durch Vene­dig strei­fen und sowohl Hoch­kul­tur (Fra­ri-Kir­che, Gesui­ti-Kir­che) als auch Ess­kul­tur genie­ßend oder am Strand blei­bend: Jeder ver­bringt den Tag auf sei­ne indi­vi­du­el­le Art. Zum Abend­essen wird gemein­sam die Strand­bar „El Muraz­zi“ auf­ge­sucht, um für den mor­gi­gen Tag den Koh­len­hy­drat­spei­cher auf­zu­fül­len und mög­lichst viel Pas­ta zu essen. Das gelingt ganz gut. Spät am Abend erscheint auch Ser­gej für sei­nen Kurz­trip, um bei der mor­gi­gen Ver­an­stal­tung dabei zu sein.

Früh­stück gibt es im Hotel eigent­lich zu ita­lie­nisch ange­mes­se­ner Zeit zwi­schen 8 und 10 Uhr. Da wir aber gegen 8.30 Uhr am Start­platz sein wol­len, d.h., gegen 7.45 Uhr los­ru­dern müs­sen und vor­her im Geran­gel mit dut­zen­den ande­ren Boo­ten unse­re Bar­ke ins Was­ser hie­ven las­sen wol­len, müs­sen wir um 7.15 Uhr am Hotel abmar­schie­ren, dem­nach um 6.45 Uhr (aller­spä­tes­tens) ein gehetz­tes Früh­stück ein­neh­men. Die Küche muss­te zwar nach län­ge­ren Ver­hand­lun­gen ihren 8‑Uhr-Ter­min auf­ge­ben, ist aller­dings erst kurz nach sie­ben auf Betriebs­tem­pe­ra­tur. Kür­zest­früh­stück ist ange­sagt. Wer jetzt trotz­dem noch drei Tas­sen Kaf­fee her­un­ter­stür­zen muss, wird es spä­ter im Boot bereuen!

Alles ande­re klappt per­fekt. Trotz gewis­ser Anfangs­hek­tik, die nach den ers­ten Ruder­schlä­gen einer hoff­nungs­fro­hen Stim­mung weicht, sind wir wie geplant am Start­platz. Da der VL nicht davon abzu­brin­gen ist, im Auge des Tor­na­dos zu war­ten, haben wir schon mal drei­ßig Minu­ten Stress, um die Bar­ke trotz des Win­des und der stän­dig zuneh­men­den Zahl von Boo­ten, die sich dazwi­schen drän­geln, unge­fähr auf der Stel­le zu hal­ten. Ein Anker wäre ganz gut. Ohne Kano­nen­schuss, der den Ver­ant­wort­li­chen zu Kriegs­zei­ten wohl nicht ange­mes­sen erscheint, geht es rela­tiv pünkt­lich um 9 Uhr auf die Rei­se. Die Rou­te ver­läuft wie gewöhn­lich an Sant‚ Eras­mo vor­bei nach Bura­no, dann durch Mura­no zum Cana­le Can­n­ar­eggio und wei­ter den Canal Gran­de ent­lang bis zur San­ta Maria del­la Salu­te. Ins­ge­samt 30 km.

Die Steu­er­leu­te, also meist Eber­hard und Albert, haben aller­lei zu tun, um sich gegen vor­wit­zi­ge Kanu­ten oder sogar Stand-up-Padd­ler, die mit uns mit­hal­ten wol­len, zur Wehr zu set­zen. Man hält ja ger­ne mal sein Kajak mit­ten in der Fahr­rin­ne an, um ein ganz beson­ders auf­re­gen­des Foto zu machen. Und da wir den klei­nen Padd­ler nicht unter­pflü­gen wol­len, sind stän­di­ge Manö­ver nötig, die auf dem ers­ten Drit­tel der Stre­cke kei­nen rech­ten „Flow“ auf­kom­men las­sen. Auch wenn man sich klamm­heim­lich einen Zusam­men­stoß wie auf dem Auto­scoo­ter vor­stel­len kann, ver­ges­sen wir unse­re gute Kin­der­stu­be nicht und ver­su­chen fai­re Sports­leu­te zu sein. Nur zwei­mal tes­ten Padd­ler, ob ihr Kopf här­ter als ein Rie­men ist.

Das Glück ist auf unse­rer Sei­te, vier von den ins­ge­samt sechs Stun­den Ruder­zeit ist es zwar warm aber doch bedeckt, so dass nicht die aller­letz­ten Res­te Flüs­sig­keit aus den Poren gezo­gen wer­den. Mit Was­ser sind wir auch gut ver­sorgt, am Pro­vi­ant hat der eine oder ande­re lei­der gespart.

Um das übli­che Cha­os, wenn sich alle Boo­te im Cana­le Can­n­ar­eggio an der Pon­te Gug­lie hoff­nungs­los inein­an­der ver­kei­len und von Tau­chern ein­zeln ent­kno­tet wer­den müs­sen, zu mil­dern, gibt es ein stren­ges Regime der Ein­fahrt in den Cana­le. Was­ser­schutz­po­li­zei stoppt die Boo­te und gibt sie schub­wei­se frei, was aber einen Klein­stau auch nicht ver­hin­dert. Wäre auch scha­de gewesen.

 Höhe­punkt ist natür­lich die Fahrt durch den majes­tä­ti­schen Canal Gran­de (ohne e) mit vie­len auf­mun­tern­den Zuru­fen der zahl­rei­chen Zuschau­er, die unse­re Ber­li­ner Flag­ge und den Rücken­auf­druck auf unse­ren Shirts erken­nen. Nur die Zuord­nung zum Bun­des­land Hes­sen, (wegen des Schiffs­na­mens) müs­sen wir uns lei­der laut­stark (Ber­li­ner Schnau­ze) ver­bit­ten. Nächs­tes Mal ein­fach übertünchen!

Die Fahrt vom Ziel­punkt bis zur schiffs­frei­en Lagu­ne meis­tert die Bar­ke trotz hoher Wel­len ohne einen Trop­fen Was­ser zu nehmen.

Das abend­li­che Menü im „Bag­no Mar­co­ni“ war qua­li­ta­tiv hoch­wer­tig und quan­ti­ta­tiv selbst für aus­ge­hun­ger­te Ruder­er­mä­gen nicht bezwing­bar. Ein schö­ner Abschluss, auch wenn sich bei zwei Mit­ru­dern­den ers­te Krank­heits­merk­ma­le melden.

Am Pfingst­mon­tag geht es auf den ver­schie­dens­ten Wegen zurück in die kal­te Hei­mat. Nur der Ver­fas­ser die­ser Zei­len nimmt sich die Zeit, noch einen gan­zen Tag durch Vene­dig und die Gui­dec­ca zu bum­meln. Genie­ßen will eben gelernt sein!

Klaus Becker

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