Die Elbe ist einer langer Fluss….die Alster nicht ganz so, Berlin und Dresden sind dafür große Städte, aber was hat das jetzt alles mit der Polizei, dem Hamburger Schietwetter und einem Kaventsmann zu tun?
Auch hier der Reihe nach, nichts übereilen und vor allem nichts vergessen. Ein kleiner chronologischer Ablauf der Geschehnisse:
Das Jahr 2024 hat gerade angefangen, es ist kalt, der Himmel grau…
„Hamburger Staffelrudern…hm…Staffelrudern, hast Du das schon mal gemacht? Kennste dit?“ frage ich Jan-Niklas halb lesend, halb zu mich selbst über den Laptop gebeugt kurz nach einer Ruderrunde. „Nö, gehört habe ich davon schon, aber gemacht noch nie. Irgendwer hat davon mal erzählt…klingt aber ganz interessant…“ Wir sitzen zusammen und machen uns Gedanken über Regatten, an denen wir teilnehmen möchten. Viel Zeit bleibt nicht, denn eigentlich hat das Jahr bereits begonnen und die freien Wochenenden, an denen uns die Familie „frei“ gibt, sind gezählt. Auch zeigt sich bei der Suche nach passenden Events mit Gig-Boot-Klassen eine recht dünne Ausbeute in den Regatta-Ausschreibungen. Ein flotter Gig-Achter ist ja noch nicht in der Bootshalle. Für die Sprint-Klassiker in der Umgebung wie Rüdersdorf oder Werder fühlen wir uns noch nicht ganz bereit-Zumal auch hier die Bootsklasse nicht ganz passt. Daher klingt das, was wir da auf „Der-Club“-Seite lesen, verlockend.
Wer – wie wir – davon auch nur Gerüchte aus fernen Zeiten gehört hat, Geflüster in dunklen Bootshallen oder kühne Erzählungen von Teilnehmern, kann sich auf der Seite des-Clubs „Der Hamburger und Germania Ruderclubs“ mal genauer anschauen, worum es geht.
Um es kurz zu machen: eine Mannschaft mit mindestens 15 voll gezählten, kühnen, waghalsigen Ruderkameraden bzw. ‑kameradinnen fährt abwechselnd mit zwei gesteuerten Gig-Vierern eine ca. 3 Kilometer lange Runde auf der Innen- und Außenalster in Hamburg. Wer die meisten Runden in acht Stunden fährt, hat gewonnen. Dazu gibt es noch die schnellste Runde für Männer und Frauen. Also eigentlich ganz einfach. Wären da nicht noch die kleinen Randbedingungen wie Mannschaft, Unterkunft, Bootslogistik und überhaupt.
„Da machen doch bestimmt alle mit, oder?“ sage ich voller Zuversicht und mit großen Erwartungen. Ideal, überschlagen wir im Kopf, sollten es mindestens 20 Personen sein, besser 25 oder sogar 30. Die 3 Kilometer können schon ganz gut kaputt machen, vor allem wenn man sie mehrmals pro Tag rudern muss. Die Idee ist geboren. „Wir machen da mit.“ ist unsere Meinung und sind uns einig, einen Aufruf zu starten.
Wie sich herausstellt, findet am gleichen Wochenende eine große Wanderfahrt statt, die RBL läuft und so sind wir nach dem ersten Aufruf nur 12 wackere Arkonen. Das reicht – egal wie wir es drehen – nicht. Zumal die Übernachtungsmöglichkeiten für solch große Gruppen schon irgendwie alle ausgebucht sind. Verdammt. War es das nun schon? Ich melde mich trotzdem beim Club und der Organisator sagt zu, uns für eine Renngemeinschaft vorzumerken. „Die melden sich erst alle kurz vorher im Mai…“ schreibt er mir noch und wünscht gutes Gelingen.
Leicht resigniert starten wir in die Rudersaison.
Es ist Mai 2024, ich sitze abends gemütlich auf dem Sofa.
*Pling* tönt mein Mailprogramm: Anfrage zur Renngemeinschaft Hamburger Staffelrudern – Wassersportabteilung der Hamburger Polizei (WSPA)
Den Text lese ich zwei Mal und freue mich danach ungemein. Die WSPA sucht Verstärkung für ihr Team. Gut wären 10 Ruderer oder auch gerne mehr. Wir sollen uns melden.
Doch beim nächsten Blick in den Kalender erneut leichte Resignation. Es ist nun schon ein bisschen Zeit vergangen seit der ersten Abfrage und es wurden just für das Wochenende weitere neue Termine gemacht: Obleutekurs, Wanderfahrt…Oha.
Ob wir noch wen ermutigen können? Aber zumindest wären die Boote bereits in Hamburg und die Logistik vor Ort ist auch schon organisiert. Also eigentlich nur noch nach Hamburg kommen, rudern, Spaß haben und zurück.
Sibille ist dankenswerterweise unser Sprachrohr in Richtung Hamburg und koordiniert, da ich zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht ganz frei von Terminen bin.
Im Team besprechen wir uns und legen fest, dass wir morgens mit der Bahn anreisen und abends wieder nach Hause fahren. Eineinhalb Stunden mit dem Zug, fast wie einmal quer durch Berlin mit der S‑Bahn. Also warum eigentlich nicht? Letzten Endes, nach einigem Hin und Her, sind sieben Teilnehmer übriggeblieben: Sibille, Birte, Martina, Jan-Niklas, Daniel, Teoman und ich (Mario). Zwischenzeitlich hat sich der RG Hamm noch mit 4 Teilnehmern zur Renngemeinschaft gesellt. Voller Vorfreude fanden wir tatsächlich noch ein paar Termine, um uns auf das Event vorzubereiten. Unser jüngster Teilnehmer Teoman wird zum Leichtgewichts-Super-Steuermann erkoren. Wir sind gespannt wie die Flitzebögen.
16. Juni 2024 – 05:00 Uhr – der Wecker klingelt
Oh mein Gott ist das früh. Fußball-EM-Eröffnungsspiel war gestern. Die Nacht entsprechend kurz. Auf die Augen, aufgestanden, fertig machen. Der Rucksack ist zum Glück schon gepackt und die Kaffeemaschine erledigt ihre Arbeit ohne Komplikationen. Ab zur Bahn. Auch die fährt hoffentlich pünktlich, man weiß das ja leider nie. Unsere Boots-Einteilung für den Tag steht auch bereits. Sechs-Runden Rudern, einmal Steuern. Zu diesem Zeitpunkt haben wir noch keine Vorstellung was uns erwarten wird.
09:00 Uhr – Ankunft in Hamburg.
Sieben halbwegs muntere Gestalten stapfen mit großen Taschen durch leichten Hamburger Nieselregen zur Alster. Eigentlich ganz nett hier. Nur ein wenig nass von oben – und das soll auch noch so bleiben. Aber wie bereits geschrieben, haben die Hamburger alles dabei: Pavillons, Bierzeltgarnituren und sicher auch schon Erfahrung. Wir sind die ersten am Fari-Club und orientieren uns. Collegia trudelt gerade ein, andere Teilnehmer riggern gerade ihre Boote auf. Alles ist dabei, vom Klinkerboot bis zum guten Schellenbacher. Irgendwie fühlen wir uns noch ein wenig deplatziert. Aber das ändert sich, als sich die wohl einzige Frau im Fari-Club, ein Hamburger Urgestein so scheint es, uns einen Platz unter den Bäumen zuweist. Hier soll es nun losgehen. Und tatsächlich sind die Hamburger plötzlich da. „Moin und guten Tag, schön euch zu sehen, gut, dass es noch geklappt hat!“ Wir freuen uns und helfen beim Ausladen und Aufbau. Die Boote werden schon fertig von der gegenüberliegenden Alsterseite angerudert. Hin und wieder zeigt sich das nordische Schietwetter, allerdings sehen die Prognosen gut aus. Um elf zum Start soll alles vorbei sein.
11:00 Uhr – Start
Hektik vor dem Start. Das Wetter hat doch noch ein wenig auf sich warten lassen und plötzlich sind es nur noch 10 Minuten bis zum Start. Die Boote rein ins Wasser. Sind alle schon umgezogen? Sonnenbrille? Sonnencreme?
LOS – Ein erstes reines Arkona-Boot fährt die zweite Runde unseres Rennens. Die erste Runde drehen die Hamburger mit ihrem Kaventsmann. Wider erwarten haben auch sie keine Rennerfahrung hier, also lassen wir uns alle überraschen. Unser Boot heißt BERLIN, die Skulls sind von der Dresden. Irgendwie passend und wir sehen es als gutes Omen. Am Ende des Tages mag ich beide Boote sehr.
11:15 Uhr – erste Runde
Die Start-Nummer 23 auf dem Kaventsmann kommt um die zweite Wende auf uns zugeflogen. In der BERLIN sitzt Sibille auf Schlag, Jan auf Schlagübernahme, dann ich, Martina im Bug und Birte steuert uns.
Wir bringen uns in Position und in der Tat machen das sehr viele Boote um uns herum. Ein wenig Gewusel an der Startlinie. „23 LOS“ tönt es aus dem Lautsprecher. Wir legen los. Ein Bilderbuchstart. Die Berlin schießt los und wir versuchen sofort das ein oder andere Boot hinter uns zu lassen, denn es kommt gleich eine Engstelle, an der nicht überholt werden darf. Vor uns liegen zwei wesentlich langsamere Boote und so müssen wir vom Top-Speed auf Halbe-Kraft gehen, um nicht gleich in der ersten Runde einen Zusammenstoß zu riskieren. Die Wenden sind sehr tricky, das merken wir dann auch sehr schnell, aber wir kommen ´rum. Hinter dem U‑Turn geht es endlich raus auf die Außenalster, volle Kraft. Die Beine brennen schon, aber wir lassen niemanden vorbei und platzieren uns für die nächste Wende, die dann auch schon schneller kommt als gedacht. Wieder tricky, zu eng genommen, kurzer Stop und kurze Backbordwende. Die Überholten liegen nun schon wieder besser in Position und so müssen wir nochmal alles geben und fliegen wieder über die Alster in Richtung Ziellinie. Unsere Ablöse ist in Sicht und wir rasen durchs Ziel, die anderen legen los. Geschafft. Was für eine Runde! Glücklich, gut gestartet zu sein und die weiteren Runden im Blick, legen wir am Steg zum Wechseln an. Kurze Verschnaufpause. Noch 5‑Mal das ganze am eigenen Leib erfahren. Wir sind uns einig: das wird ein langer und anstrengender Tag.
12:00 Uhr Wetterchaos
Birte ist auf dem Wasser mit einer gemischten Besatzung vom WSPA und Hamm. Wir erahnen schon, dass aus dem zuvor leichten Regen gleich etwas mehr werden könnte. Und in der Tat, die dunkle Wolke entpuppt sich als Starkregenzelle. Die Boote auf dem Kurs sind fast nicht mehr zu erkennen. Das Pavillon der Wettkampfrichter möchte dank des Winds nun auch mal auf die Alster und mitmischen. Nur ein paar kräftige Hände halten es davon ab. Wir anderen stehen zwar trocken, doch die Sorge um die Mannschaften da draußen ist groß. Vollständig durchnässte Teams versuchen den Steg zu erreichen. Birte und ihr Boot kommen an, als alles schon fast wieder vorbei ist und dennoch droht eine Rennunterbrechung. Schlotternd krabbeln alle aus dem Boot, wir entleeren das Wasser aus der „Badewanne“ und hoffen, dass die Wechselsachen trocken geblieben sind. Zum Glück ist nichts passiert und kein Kaventsmann hat ein Boot versenkt. Ein echtes Hamburger Schietwetter wie es im Buche steht. Aber der Rennbetrieb kann kurze Zeit später wieder aufgenommen werden und die Sonne lässt sich nun endlich blicken. Überstanden.
12:30 – 19:00 Uhr Runde um Runde
Nachdem nun tatsächlich das Wetter stabil bleibt, ziehen wir Runde um Runde durch. Mal gemischt und dann auch wieder als Arkona-Boot, auf Schlag, im Bug, als Schlagübernahme, ganz egal – Hauptsache zusammen, synchron und mit Druck am Blatt. Das Gefühl, das richtige Maß an Kraft und Schlagfrequenz zu finden, stellt sich ein, obwohl wir eigentlich dauerhaft am Anschlag fahren. Aber es tut gut und alle ziehen mit. „Noch eine Runde und du kannst mich vom Steg kratzen…“ flüstert mir Sibille zu – und doch fahren wir die letzte Runde konsequent durch.
Teoman wächst über sich hinaus und beweist, wie gut und schnell sich die Kids auf die Situationen einstellen können. Sechs Runden steuert er souverän die Boote durch das Getümmel. Und ein Getümmel ist es auch tatsächlich bis zum Schluss – immerhin sind von den 60 Booten auf Wasser gut 30 beim An- und wieder Ablegen. Unsere Fan-Gemeinde ist auch eingetroffen, filmt uns, klatscht und johlt vom Ufer zu. Beim Wechsel wird uns nun auch vom einfahrenden Boot „POLIZEI, POLIZEI“…mitgegeben. Obwohl kein einziger „echter“ Polizist in der Mannschaft ist, aber das scheint egal zu sein. Mittlerweile fahren wir die Wenden als wären wir auf der Alster zu Hause. Zufriedenheit und ein angenehmes Teamgefühl stellen sich ein.
In meiner letzten Runde steuere ich die WSPA, genieße nochmal die Alster und brülle „unsere“ Polizei an, sauber durchs Wasser zu ziehen. Und plötzlich ist es vorbei. Alle Runden sind gefahren, und die letzten „Dicken“ gezogen, mehr ging heute einfach nicht.
Ich darf in erschöpfte und glückliche Gesichter blicken – egal welcher Platz, für mich hat das Team bereits gewonnen. Im Gesamtergebnis landen wir auf dem 16. Platz, direkt hinter dem Friedrichshagener RV und noch vor dem RC Tegel.
19:00 bis 01:30 Uhr
Der Rest ist schnell erzählt: alles wird abgebaut, geduscht, es wird viel gelacht, Einladungen nach Berlin werden ausgesprochen und es geht zur Siegerehrung. Alle bedanken sich und versprechen im nächsten Jahr nochmal anzutreten.
Die Arkonen schlendern an der Alster in der Abendsonne zum Hauptbahnhof und genießen das Bier oder ein Radler beim Inder, essen scharf oder auch mild und lassen den Tag Revue passieren. Wir sind ziemlich geschafft und kaputt, nun zeigt sich was wir heute gemacht haben. Die Bahn bringt uns dann nach Hause – zwar mit Verspätung, aber zumindest fährt sie nach Spandau, wo wir uns wieder verstreuen. Ab ins Bett…
Was bleibt: große Erwartungen bleiben große Einbahnstraßen, Schietwetter geht vorbei, die Vorfreude auf ein nächstes Mal motiviert für die nächsten Trainingseinheiten, Staffelrudern wird mit harten Bandagen ausgetragen und ein Gefühl, als Arkona ein super Bild abgegeben zu haben.
Ein großes Dankeschön an alle, die dabei waren und sich dieses Event nicht entgehen lassen haben, an Sibille als Sprachrohr, Birte die Finanzwirtin, Teoman unser Super-Leichtgewichts-Steuermann, der so gut durchgehalten hat, Daniel als souveräner Bugmann, Jan als Navigator vor Ort und an die Groupies für das Anfeuern.
In Vorfreude auf das nächste Mal!
Mario