Vom 23. bis 30. Juni 2013 hatte Achim Bläck-Neumann 15 Berliner Arkonen zu einer Rudertour auf der Oder eingeladen. Obwohl ich bereits einige Ruderjahre auf dem Buckel habe, sollte es für mich die erste längere Wanderfahrt sein.
Schon für den Start hatte Achim alles gut geplant: 10 Arkonen nahmen den Zug, 6 fuhren parallel im gemieteten Kleinbus mit den Booten im Hänger nach Ratzdorf. Dort mündet die Neiße in die Oder. Der Ort hatte im Juli 1997 beim großen Oderhochwasser „Berühmheit“ erlangt. Der maximale Pegelstand lag damals bei 6,91 m und der Ort lag zum großen
Teil unter Wasser. Diesmal zeigte das Pegelhäuschen 4,73 m. Nachdem die Boote abgeladen waren, brachte ein Teil der Crew den Hänger nach Schwedt. Das war deshalb so geplant, weil es dann von dort nicht mehr so weit bis nach Stettin sein würde, dem Ziel der Oderfahrt.
Die „Zurückgebliebenen“ machten die Boote startklar und verspeisten die von Gundi liebevoll eingepackten Picknickbestandteile. Nach einem längeren Spaziergang nutzten wir die Zeit, um Mückenschutz aufzutragen, sowie für die Einnahme von Kaffee, Kuchen und später dann des Abendessens in der sehr zu empfehlenden „Kajüte“ in Ratzdorf.
Die (äußerst heiße) Nacht verbrachten wir im AWO-Wohnheim in Eisenhüttenstadt, da in Ratzdorf leider kein Quartier für 16 RuderInnen vorhanden war.
Am Montag war der Pegelstand auf 4,43 m gefallen und die Wasserschuhe kamen zum Einsatz. Denn die Boote mussten ohne Steg im schlammigen Oder-Neiße-Gemisch zu Wasser gelassen werden. Dann ging es bei gutem Wetter gen Frankfurt/Oder. Ein Boot musste allerdings wegen einer defekten Dolle sofort wieder anlegen. Fachmännisch reparierte es unser Micha Heckner. Der Landdienst (jeweils zwei TeilnehmerInnen, die den Pkw fahren und ein kleines Buffet aufbauen) empfing uns auf halber Strecke in Aurith mit überdachten Sitzbänken und Buffet und die Etappe endete ohne weitere besondere Vorkommnisse nachmittags nach 40 km in Frankfurt/Oder. Mit dem dortigen „Hotel zur Alten Oder“ hatte Achim eine gute Wahl getroffen: Schöne Zimmer und auch das abendliche Essen war o.k.
Der am Montagabend bereits einsetzende Regen ließ sich auch am Dienstag nicht vertreiben. Super: Wir konnten schon in Regenkleidung zu den Booten, die wir im Frankfurter RC untergebracht hatten, laufen und diese mit Schöpfutensilien etc. so gut es geht vom Regenwasser befreien. Dann ging es über den Altarm gen Hauptstrom. Erst dort merkten wir, wie windig es tatsächlich war. Uns empfing das volle Programm: Wind von Nord/Nordwest (also von vorn) gegen die Strömung und von daher starker Wellengang, Dauerregen. Alles lief zögerlich, denn wir mussten mehrfach auf ein bestimmtes Boot warten, das zwischendurch zweimal anlegen musste. Komisch, denn die anderen Mannschaften regelten das, was „notdürftig“ war, im Boot? Tapfer kämpften wir gegen alles an. Nach 3 Stunden waren wir dann doch ziemlich durchnässt und durchgefroren. Der Landdienst (Mara und Gisela) empfing uns bei Kuhbrücke/Ort Küstriner Vorland mit der guten Nachricht, dass dort ein nettes kleines Lokal bereits auf uns wartete. Die junge Wirtin der Pension „Oderfischer“ hatte den Begriff „Service-Wüste Deutschland“ wohl noch nie gehört: Schnell brachte Sie für uns eine leckere Fischsuppe, Fischbrötchen, Kaffee und Tee auf dem Tisch ihrer gemütlichen Gaststube. Wir waren schwer begeistert. Auch die Vorzüge einer Elektro-Heizung lernten wir schätzen. Nachdem sich Achim bei dem Wirt erkundigt hatte, was uns Richtung Norden noch erwarten würde, entschied er, die Tour an diesem Tag erst einmal abzubrechen: An der Warthe-Mündung war mit weiterem Wind und Wellen zu rechnen, da das Oderbett dort noch breiter wird und das Wasser der Warthe hinzukommt. So musste der Landdienst mehrfach zwischen Kuhbrücke und Kienitz hin und herfahren, damit wir alle ins Quartier gelangen konnten. Die Boote ließen wir dort zurück.
Achim musste umplanen, denn wir mussten nun durch den Fahrtabbruch noch einen Tag länger in Kienitz bleiben.
Trotz des schlechten Wetters war aber alles kein Problem: Die Gastwirtin des Gasthofes „Zum Hafen“ freute sich, dass wir nun zwei Tage dort bleiben wollten. So kam es, dass wir die Gelegenheit hatten, Kienitz besser kennen zulernen und Schnitzel in jeglicher Form zu probieren. In Kienitz überschritt die Rote Armee am 30. Januar 1945 erstmals die Oder-Neiße-Linie. Abends ließen wir bei Wein, Weib und Gesang den Abend zu den Akkorden von Achims Gitarre ausklingen.
Am Mittwoch regnete es vormittags immer noch, aber Dank der „Wetter-App“ von Gerhard Belmega konnten wir sehen, dass das Wetter nachmittags besser werden sollte. So war es auch und wir konnten nach dem Mittagsresteessen und einem leckeren Stück Kuchen die Boote in Kuhbrücke abholen und nach Kienitz rudern.
Da das Wetter besser wurde, setzen wir am Donnerstag unsere Fahrt gen Schwedt fort. Mit insgesamt 68,5 km sollte es die „Königsetappe“ werden. Von der Oder aus mussten wir in die Schwedter Umfahrt abbiegen und passierten die Schleuse Schwedt.
In Schwedt konnten wir die Boote am dortigen RuderClub liegen lassen und Gundi shuttelte uns von dort zum in der Stadt gelegenen CampHotel.
Abends amüsierten wir uns noch über die in der ehemaligen DDR wohl verbreitete „Zigeunermasse“ und ließen den Abend mit müden Knochen beim Bier ausklingen.
Am Freitag setzten wir unsere Fahrt bei schönem Wetter gen Stettin über die Ostoder fort. In der Schleuse rettete die Mannschaft in Alberts Boot noch ein Bachstelzenküken, das aus einem sich an der Schleusenwand befindlichen Nest ins Boot gefallen war. Ja, RuderInnen haben auch ein Herz für Tiere!
Die Mittagsrast an der Spundwand von Gryfino gab uns wieder neue Kraft für die restlichen Kilometer zum Ziel Stettin. Nachdem wir nach ca. 48 km dort die Einfahrt zum Sportboothafen ein wenig gesucht hatten, entdeckten wir dann schnell das Marina Hotele. Leider ist man dort eher auf Segel- und Motorboote eingerichtet. Dank unserer erfahrenen Senior-Obleute (Achim, Gundi, Micha, Albert) gelang es uns, trotz der widrigen Bedingungen dort an einem kleinen Schwimmsteg anzulegen.
Das Marina Hotele hatte (was wir nicht wussten) einen baugleichen Ableger in der Stadt. Dort waren unsere Zimmer gebucht. In dem Hotel gab es zahlreiche Gäste mit Hunden. Es erschloss sich nicht, ob es ein exklusives „Hunde-Hotel“ war oder zeitgleich eine Hundemesse in Stettin stattfand. Egal, so konnten wir uns morgens den Wecker sparen. Das Aufwachen wurde durch die possierlichen Tierchen erleichtert.
Am Samstag ruderten wir noch ein wenig durch den weitläufigen Stettiner Hafen und machten sogar Bekanntschaft mit polnischen Ruderkameraden, die uns in ihrem wohl zur Zeit behelfsmäßig untergebrachten Vereinscontainer die Benutzung ihrer Toilette anboten. Abends erkundeten wir Stettin per Pedes und fanden ein nettes Lokal, in dem wir die schöne Wanderfahrt ausklingen lassen konnten.
Die Begeisterung über das Ruderrevier Stettin hielt sich bei dem Großteil der RuderInnen allerdings in Grenzen. Schließlich waren wir in den vorherigen Tagen einfach durch die herrliche Landschaft verwöhnt und hatten auf Stadt und Industrie nicht wirklich Lust.
Fazit: Eine tolle Tour. 196 schöne Ruderkilometer. Super Organisation. Alles klappte!
Die Landschaft ist einmalig schön. Wo in Deutschland gibt es noch so unverbaute Ufer? Wo kreisen Fischadler über einem? Wo schauen neugierige Rehe vom Ufer aus auf unbekannte „Ruderobjekte“? Auch der Schiffsverkehr hält sich im doppelten Sinne des Wortes in Grenzen: Ab und an sieht man Kanuten oder einen Schubverband.
Vielen Dank an Achim und Gundi für diese schöne harmonische Ruderwoche!
Manuela Mühlhausen