Über Himmelfahrt 2011 ergab sich die Gelegenheit, in diesem wundervollen Ruderrevier zu rudern, denn, wie bekannt, fand ja unsere Himmelfahrts-Sternfahrt baubedingt in diesem Jahr nicht statt.
Unsere Wanderruderwartin Ingrid hatte deswegen kurzfristig im „Ferienpark am Wangnitzsee“ 3 Doppelzimmer und das Gruppenzimmer für 8 Personen gebucht. Die Ferienanlage „der etwas anderen Art“ sollte dann auch für 4 Tage unser Standquartier werden. Wer es nicht kennt: der „Ferienpark am Wangnitzsee“ liegt inmitten der unberührten Mecklenburger Seenlandschaft, von Berlin aus an der B96 zwischen Fürstenberg und Neustrelitz. Auf dem ca. 6 Hektar umfassenden Gelände eines ehemaligen Sägewerkes ist in den letzten sechs Jahren ein Ferienpark entstanden, der sich ganz besonders für Rudertouren eignet. Es gibt Ferienwohnungen, einen Campingplatz mit 70 Stellplätzen und für uns Ruderer ganz wichtig ein Restaurant und eben die Pension, die insgesamt über 8 Doppelzimmer, den Gruppenraum und einen Gemeinschaftsraum inkl. Teeküche verfügt.
Da bereits die Jupiter und Werder schon in der Bootshalle am Wangnitzsee lagen, nahmen wir nur noch Willy Kantel und die Scharfe Lanke mit. Unser Start war dann auch Himmelfahrt-Vormittag. Ab 12 Uhr trafen wir alle am Wangnitzsee ein. Abladen, aufriggern, die beiden Boote aus der Halle holen, den Gesamtzustand checken, und schon konnte gegen 14 Uhr unsere erste kleine Erkundungstour auf den Havelgewässern beginnen.
So ging es dann zuerst über den ca. 2,5 km langen Wangnitzsee, der theoretisch für Motorboote gesperrt ist. Eine Hochspannungsleitung mit einer Höhe von 5,5 m ist zu durchrudern, schon von weitem sind die Warn-Tonnen zu sehen. Vorbei an den beiden kleinen Inseln Fischerwerder und Neuendorfer Werder ging es erstmals bergauf in die Havel. Die Havel in der Mecklenburgischen Seenplatte ist natur pur und nicht mit unserer breiten Berliner Havel zu vergleichen. Je nach dem, wo man lang rudert, ist sie ein wenig kurvig, mal hat sie gerade Strecken, mal hat sie viel Schilf und immer wieder Wald und Wiesen. Sie ist einfach Natur pur, einfach klasse. Wir rudern auf den Finowsee, dessen Besonderheit eine Straßenbrücke in Hausform ist, anders gesagt: ein Haus ist die Brücke. Da hinter und vor uns Motorboote und viel gefährlicher für uns kleine Ruderboote die Charterboote sind, können wir nicht anhalten und diese wundervolle Brücke fotografieren. Charterboote sind immer unter Vorsicht zu passieren, denn die meisten sind hier auf den Gewässern ohne Führerschein unterwegs und haben wenig Ahnung von Steuern. So kommen uns Charterboote entgegen, die ihre Fender trotz Einziehmöglichkeit an der Bordwand zu hängen haben. Unsere VL gibt uns den Hinweis, dass wir außer auf dem Rückweg noch ein weiteres Mal unter dieser Brücke rudern können. Nach der Unterquerung der Holzbrücke rudern wir nun auf dem Drewensee, hier sind am Ufer jede Menge Campingplätze und sonst nichts zu sehen. Am Ende des Sees finden wir eine kleine Durchfahrt durch das Schilf, drei Mitruderer, die dort schon gerudert sind, klären uns auf, dass wir durch das Schilf durchrudern können, ohne die Skulls lang machen zu müssen. Nun können wir das richtige Ende des Drewensees sehen, die letzte Ausmündung haben wir noch mitgekommen. Wir machen am Ende des Sees natürlich eine weitere Pause und lassen die Seele baumeln, es ist einfach nur schön hier.
Zurück im Ferienpark genießen wir das leckere Essen, das uns Nico, der Koch bereitet und das von Karin, der netten Wirtin gebracht wird. Ab 21 Uhr wird es ungemütlich: es wird kalt und 2 Millionen Mücken umschwirren uns, so dass wir beschließen, im Aufenthaltsraum unserer Pension den Rest des Abends zu verbringen.
Am Freitag erwachen wir wieder bei bestem Sonnenschein. Nach dem leckeren Frühstück stechen wir in See, d. h. in den Wangnitzsee. Wir haben heute eine 32 km Tour vor uns und müssen schleusen. Wir rudern diesmal die Havel bergab. Am Ende des Wangnitzsees geht es in den Großen Priepertsee und danach in den Ellbogensee. An der Schleuse Strasen liegen wir in trauter Runde mit den Motorbooten und den Wanderkanuten noch hintereinander. Doch das Schleusen selbst ist ein Erlebnis. Geht man vom „normalen“ Schleusen in einer normalen Schleuse aus, sprengt das Schleusen hier den Rahmen. Vorneweg sind zwei große Motorboote in die Schleuse eingefahren. Daneben ist noch ca.1 m Platz. Dahinter passen wir drei Ruderboote ebenfalls noch rein. Nun kommen aber die Kanus alle mit. Wer jemals in der Tiergarten-Schleuse bei der Wiking-Sternfahrt der Meinung war, dass die Schleusen voll sind, wird hier eines Besseren belehrt. Zwischen zwei Ausleger passt mindestens ein Kanu und unter einem Ausleger kann immer noch ein Kanu Platz finden! Einige Kanus quetschen sich noch zwischen die Schleusenwand und die vorderen Motorboote. Unser Boot liegt in der Mitte der Schleuse, um uns herum gefühlte 100 Kanus.
Als Steuerfrau muss ich ja meine Mannschaft bei Laune halten und deshalb erzähle ich meiner Mannschaft dann das Anekdötchen von der Unterhaltung eines Steuermannes und des Schlagmannes in einem Vierer, die fast zwei Stunden vor einer Schleuse lagen, weil der eine meinte, „der Schleusenwärter sieht uns“, der andere dann aber feststellte, dass gar kein Schleusenwärter anwesend war! Alle lachen, auch die Kanuten finden diese Story großartig. Das Zitat „Der Schleusenwärter sieht uns“ ist ja in bestimmten Kreisen inzwischen ein geflügeltes Wort.
Die Schleuse Strasen haben wir somit gut passiert, wir sind jetzt auf dem Pälitzsee und machen nach der Schleusen-Anstrengung Pause mit einem „Päckchen“. So können alle von uns alles essen: Gummibärchen in allen Formen, Kekse, aber auch gesundes wie Radieschen und Kohlrabi wechseln die Boote und werden verspeist. Gestärkt rudern wir weiter auf dem Kleinen Pälitzsee und kommen dann zum Canower See. Zu unserer Freude begegnen uns fünf Ruderboote, allerdings können wir nicht herausfinden, von welchem Verein sie sind.
Am Ende dieses Sees befindet sich die Canower Schleuse und dahinter, am Labussee, gibt es einen Fischer, den wir zur Mittagspause aufsuchen wollen, ohne zu schleusen. Am Anfang versuchen wir noch bei einem Bootsverleih anzulegen, unsere Anlegemanöver bringen leider nichts ein, denn es gibt keinen Steg. Einen privaten Steg könnten wir benutzen, wir wissen aber nicht, ob wir dann irgendwie über den Zaun zur Straße kommen. Unsere VL fährt zielstrebig vor in Richtung Schleuse und ab in den Altarm. Per Handy und Winken werden unsere beide Boote dorthin kommandiert. Wir haben großes Glück, denn wir haben genug Platz zum Anlegen. Tausend Kanus liegen schon an Land. Wir machen die Boote fest und laufen über die Schleuse einfach rüber; ein kurzer Weg an der Hauptstraße entlang und schon sind wir beim Fischer. Der Fischerladen ist klasse, die gefühlten tausend Kanuten sind dort ebenfalls und wollen ebenso wie wir Fischbrötchen, Kartoffelsalat, geräucherten Fisch oder Fischbuletten essen. Am Nebentisch treffen wir den Landdienst eines anderen Berliner Vereins, der auf drei Boote wartet und uns sofort an seinem Tisch noch Plätze anbietet, wir wollen aber lieber an einem Tisch eng beieinander sitzen. Das einheimische, mecklenburgische Lübzer-Bier mundet und zurück geht es auf dem gleichen Weg in Richtung Wangnitzsee. Wir haben nur noch ein Problem: wir müssen wieder durch die Schleuse Strasen, die rappelvoll ist. Manchmal muss man ein wenig frech sein und wir spielen einfach Kanu: d. h. wir fahren wie die Kanuten bis ganz nach vorne durch. Mit einem ganz schlechten Gewissen und dem fürchterlichen Blick zweier Motorbootführer sind wir sicher in der Schleuse angekommen, die Kanus tragen uns förmlich rein, das Tor geht zu und wir sind vor den Motorbooten „gerettet“. Die restlichen Kilometer kennen wir bereits, also gibt es kein weiteres Neuwasser. Zwei blöde Motorboote machen dafür hohe Wellen, wir fühlen uns wie in Berlin. Der Abend endet wie der Tag vorher, wir wollen im Ferienpark essen. Schon bei unserer Ankunft fragt uns Karin, was wir möchten, denn dann kann die Küche schon alles vorbereiten und alles geht schneller. Wie jeden Abend werden wir von den Mücken gejagt und verziehen uns in den Aufenthaltsraum.
Am Samstag ist nun die längste Tour der Himmelfahrts-Rudertour geplant. Ab in den Norden, heißt das Motto und 35 km wollen wir rudern. Da zwei Ruderer und ein Kielschwein hinzugekommen sind, sind wir nun mit zwei Vierern und dem Doppelzweier unterwegs.
Wir rudern schon das bekannte Stück bis zur Holzbrücke am Finowsee/Drewensee, dann in ein sehr langes Teilstück der Havel, welches überhaupt keine Kurven hat und fast wie ein Kanal wirkt. An der Schleuse Wesenberg müssen wir nur eine Schleusung abwarten, wobei unser Boot ein schattiges Warteplätzchen ergattert hat. Als das Tor aufgeht, kommen ausschließlich Kanuten, gefolgt von fünf kleinen Motorbooten, heraus. Ich versuche, die Kanus alle zu zählen, gebe aber auf, denn es sind einfach zu viele. Außerdem müssen wir jetzt unser schattiges Plätzchen verlassen und in die Schleuse einfahren. Nach der Schleuse passieren wir die Marina Wesenberg und die Kanu-Mühle, hier wie auch an anderen Stellen verleihen professionelle Verleiher ihre Kanus. Nach wenigen Minuten sind wir auf dem Woblitzsee. Zur Abwechslung gibt es mal wieder eine Hochspannungsleitung, die ist aber sehr hoch und nicht betonnt. Ohne es zu planen, machen wir darunter unsere übliche Pause. Weiter geht´s in Richtung Havel. Kurz vor der Einfahrt in die Havel müssen wir erst mal warten, denn an diesem Samstag ist das absolute Highlight am Campingplatz ein Drachenbootrennen, das zeitgleich mit unserem Vorbeirudern gestartet werden soll. Wir lassen den Drachenbooten natürlich den Vorrang und biegen in ein weiteres Teilstück der Havel ein. Unsere VL hat für diese Etappe gesagt, dass „der Weg das Ziel ist“ und es stimmt, die Havel ist einfach traumhaft. Die Malediven oder super Strandbuchten weltweit mögen traumhaft sein, aber „unsere“ Havel kann mithalten und alles toppen. Ruhe, spiegelglattes Wasser, Bäume, unter denen wir rudern, absolute Stille, enge Brückendurchfahrten, Kanuten, die uns anfeuern und natürlich auch Kanuten, die wir mit einem herzlichen „ahoi“ oder „moin“ begrüßen, all das gibt es auf diesen Strecken. „Onkel Walter“, „Bunter Flitzer“, „Rote Lippen“, „Leckermäulchen“, immer wieder begegnen wir den Kanus mit diesen tollen Namen. Wir überlegen, ob wir nicht den Kanunamen des Tages vergeben sollten oder abends „Stadt-Land-Kanuname“ spielen sollten.
Wir genießen vier weitere Havelkilometer bis km 91 und haben nun die Ausfahrt auf den Großen Labussee vor uns. Dort, fast in der Mitte angekommen, wenden wir nach einer kleinen Pause und wollen in einem Restaurant in Klein Quassow unsere Mittagspause machen.
An der Straßenbrücke Klein Quassow finden wir den Hinweis auf dieses Gasthaus, verbunden mit der Info, dass die Kanus aus dem Wasser zu holen und auf der grünen Wiese abzulegen sind. Nun spielen wir wieder Kanu, d. h. auf engsten Raum müssen wir die zwei Vierer und den Zweier rausholen und eine kleine Böschung hoch tragen. Mit 13 Personen gelingt das aber sehr gut und die Boote liegen auf der grünen Wiese. In den Gewässerkarten ist ja immer von „Wasserwanderern“ zu lesen. Diesmal stimmt es. Unser Gasthaus ist nach drei Minuten Fußweg zu erreichen, der Wirt ist sehr nett und hilft uns, die Tische im Schatten des Hauses zusammenzustellen, denn Sonne mögen wir im Moment überhaupt nicht und bei Temperaturen um die 30 ° C isst es sich im Schatten einfach besser. Die meisten essen eine Spezialität: Mecklenburger Kartoffelsuppe mit Speckeinlage. Die Suppe schmeckt sehr lecker und es stellt sich hierbei die Frage, ob denn Mecklenburg nun „Mecklenburg“ oder „Meecklenburg“ ausgesprochen wird. In unserem Kreise gibt es unterschiedliche Versionen zu diesem Thema. Die Autorin hat von Mecklenburgern gelernt, dass es Mecklenburg heißt, andere am Tisch sagen eher Meecklenburg. Der Wirt sagt auch Mecklenburg, wir schließen daraus, dass es regionale Unterschiede gibt, zumal das Bundesland MV sehr groß ist.
Zurück rudern wir die gleiche Strecke, an der Schleuse Wesenberg liegt zu unserer Verwunderung überhaupt kein Boot, sodass wir sofort schleusen können. Nur am Abend gibt es eine Änderung gegenüber den beiden letzten Tagen: wir grillen selbst vor unserer Pension. Unser Landdienst für eine Nacht, der wieder nach Berlin zurück musste, hatte sich netterweise bereit erklärt, noch für uns einkaufen zu gehen. Der Einfachheit hatten wir eine Strichliste angelegt, wer was essen will. Es klappte vorzüglich, alle wurden satt und jeder hatte somit sein Wunschessen. Würstchen, diverse Fleisch-Leckereien und Kartoffelsalat in allen Varianten wurden gereicht. Der Hit aber waren die gegrillten Zucchinis und irgendwann ab 21:30 h fressen uns wieder die Mücken auf, sodass wir wie immer den Tag im Gemeinschaftsraum beschließen.
Am Sonntag, dem letzten Tag der Rudertour, geht es nach dem Frühstück auf die Südtour. Wangnitzsee, Großer Priepertsee, wir rudern in die andere Richtung des Ellbogensees, denn bei einer solchen kurzen Strecke wollen wir auf keinen Fall schleusen. Am Ende des Sees gibt es einen Knick, wir müssen nach backbord ziehen, danach noch ein kleines Stück „Lieblingshavel“ und wir sind auf dem Ziernsee. Wir rudern bis zur Mitte des Sees und haben unser heutiges Ziel erreicht. Ursprünglich war geplant, bis zur Schleuse Steinförde zu rudern, es ist aber einfach viel zu heiß zum rudern. 22 km sind dann auch genug für diesen heißen Junitag.
Am Ferienpark am Wangnitzsee angekommen, laufen die übliche Sachen ab: Boote säubern, in die Halle bringen und duschen. Völlig entspannt genießen wir dann gefüllte Blaubeer-Eierkuchen mit Vanille-Eis und Sahne. Mmmh, lecker, Karin und Nico werden verabschiedet, und es gibt noch das obligatorische Fotos von uns allen vor dem Gemälde des Wangnitzsees an der Bootshalle.
Der Verlauf der Havel ist immer das Ziel, wir beruderten die Havelkilometer 91 – 68 mit den dazugehörenden Seen; für die Statistiker von euch mit 107 geruderten Kilometern an vier Tagen!
CdH