„Für die Jahreszeit zu kalt!“ So lautet jedenfalls auch heute die einheitliche Aussage aller Wetterpropheten und dem kann man ja nun wirklich nur zustimmen, denn so richtig schöne warme Tage waren in diesem nun zu Ende gehenden Frühjahr doch wohl echte Mangelware. Aber jetzt naht ja der Sommer und wir können nur hoffen, dass der diese leidige Geschichte mit dem Wetter nun endlich etwas besser in den Griff bekommt.
Kurz vor der Sommersonnenwende – die hoffentlich auch eine Wetterwende zum Positiven sein wird – hat Gisela wieder eine ihrer beliebten Tagesfahrten in die schöne Umgebung Berlins angesetzt – diesmal ist es allerdings eine Zweitagesfahrt – und hat dafür beim Wassersportverein Königswusterhausen zwei Vierer für uns reserviert. Zusammen mit weiteren 10 Kameradinnen und Kameraden dieses Vereins sind wir jetzt mit der kleinen Armada von vier Vierern unterwegs zum Ruderclub Fürstenwalde, um dort beim Wenden der Sonne dabei zu sein.
Vom Bootshaus in Königswusterhausen ist es nur ein kleiner Katzensprung bis zur Schleuse Neue Mühle, da bekommt man nicht mal die Morgenkühle aus den Knochen, obwohl eine frühe Sonne scheint. Der Legende nach soll der Bau dieser Schleuse auf einen Jagdausflug des ersten der vielen brandenburgischen Friedriche zurückgehen, der sich beim Abendmahl mit dem damaligen Müller dessen laute Klage über den sehr unregelmäßigen Wasserstand der Dahme anhören musste. Nur ein Wehr mit einer Schleuse könne diesen Zustand ändern. Friedrich sah das schließlich ein und ließ 1696 die erste Schleuse bauen, die gute 170 Jahre ihren Dienst tat. 1868 entstand dann nur wenige Meter neben der alten die neue heutige Schleuse mit einer Klappbrücke über dem Unterwasser, die beim Passieren größerer Schiffe hochgezogen werden kann und so den Straßenverkehr unterbricht.
Wir lassen uns nun in dieser alten Schleusenkammer um 1,5 Meter absenken und fahren dann auf die Dahme hinaus, vorbei an Wildau bis nach Zeuthen, wo wir dann nach Steuerbord in den Großen Zug abbiegen. Schon auf diesen kaum 5 Kilometern hat sich bereits so etwas wie eine Rangfolge herausgebildet. Mein Boot hat sich kräftig rudernd auf den letzten Platz zurückfallen lassen, den wir dann auch weiterhin mit kleinen Ausnahmen tapfer verteidigen werden. Für kurze Zeit können wir uns nämlich sehr gut im hinteren Mittelfeld behaupten, da der Jugendvierer eine kleine Havarie beheben muss. Diese dauerhaft rückwärtige Platzierung hat aber überhaupt keinen Einfluss auf die gute Stimmung in unserem Boot.
Über den Krossinsee gelangen wir dann zur Wernsdorfer Seenkette, einer Reihe von sehr schönen kleinen Seen und Buchten, wahre Teppiche von weißen Seerosen schwimmen hier auf dem Wasser, an den Ufern hübsche Häuser und Gärten. Vom letzten dieser lieblichen Seen geht es dann fast übergangslos hinaus auf den Oder-Spree-Kanal, kaum 200 Meter vor den hohen schwarzen Toren der großen Wernsdorfer Schleuse, die sich dann auch nach überraschend kurzer Wartezeit für uns öffnet und unsere vier Boote um 4,5 Meter ins Oberwasser hebt.
Mittagspause! Die Boote sind an der Spundwand festgemacht und wir machen es uns oberhalb dieser Spundwand nach Überwindung einer steilen Treppe auf der Steinschüttung „bequem“, probiern Bouletten, Käse und Wein und schauen besorgt in den Himmel, denn die Sonne hat sich soeben diskret hinter eine graue Wolkenschicht zurückgezogen, ist aber bald wieder da.
Der Oder-Spree-Kanal nimmt uns auf – für 25 Kilometer bis Fürstenwalde werden wir nun seinem Verlauf folgen. Und wer da behauptet, dieser Kanal würde sich schnurgerade und langweilig durch eine immer gleiche Landschaft ziehen – dem kann ich nur begrenzt zustimmen. Denn ab und zu entschließt er sich doch schon mal für einen ganz leichten Bogen zur einen oder anderen Seite und vorteilhaft ist hier in jedem Fall das absolut glatte Wasser und ein erfreulicher Schiebewind. Es gibt auch
so gut wie keine Industrie auf diesen 25 Kilometern, dafür aber tiefen Nadel- und Mischwald. Auf den schrägen Böschungen zu beiden Seiten wächst durchgehend frisches Grün, dazwischen immer wieder Büschel von leuchtend gelben Sumpfdotterblumen, kleine Felder mit Margeriten, schlanke Schwertlilien, verschiedenfarbige Lupinen und feuerrote Mohnblumen, die sich sanft im Wind wiegen. Und da gab es noch vieles mehr, von dem ich nur die Namen nicht kenne.
Kurze Pause am Steg der Jugendherberge in Braunsdorf, dann geht es bei herrlichem Sonnenschein wieder weiter durch die inzwischen völlig demontierte Schleuse „Große Tränke“, die eigentlich nie eine richtige Schleuse war, da sie nur bei Hochwasser die Fließgeschwindigkeit des Kanals für die damals noch übliche Schleppschifffahrt begrenzen sollte. Für die moderne Schifffahrt hat sie diese Funktion aber längst verloren und wurde darum – wie man es auf „Baudeutsch“ ausdrückt – im Jahr 2004 „zurückgebaut“.
Etwa ab hier wird dann auch die Spree als „Schnelle Spree“ wieder selbständig, stürzt sich vom Kanal abzweigend über ein Wehr je nach Wasserstand mehr oder weniger in die Tiefe und ist über eine Umsetzstation als sehr schöner Wiesenuss für kleine Sportboote befahrbar. Die Erbauer des Kanals haben jetzt auf viele Kilometer das natürliche Bett der Spree weitgehend für ihre Zwecke genutzt. Die Ufer werden deshalb bis nach Fürstenwalde auch etwas abwechslungsreicher, denn immer wieder zweigen jetzt wild verwachsene alte Spreearme vom Kanal ab.
Nach vierzig geruderten Kilometern haben wir nun endlich den Ruderclub Fürstenwalde erreicht, werden wir freundlich empfangen und legen unsere Boote am Land ab. 20 Minuten zu Fuß brauchen wir dann bis zu unserem Hotel. Nach einer warmen Dusche und einem frischem Bier geht es dann wieder zurück zum Ruderclub, wo unsere Kameraden aus Königswusterhausen inzwischen ihre Zelte aufgeschlagen haben und für die Sonnenwendfeier einen Holzstoß errichtet und angezündet worden ist. Als Brennmaterial wird hierfür u.a. ein mit zahlreichen Lackschichten versehener Rennvierer benutzt, dessen dichter Qualm vom sanften Wind erschreckend oft in unsere Richtung getrieben wird. Die Mücken, für die dieser Qualm eigentlich gedacht ist, lassen sich bei dieser kühlen Witterung natürlich gar nicht erst blicken. Es wird ein ruhiger Grillabend, in dessen Verlauf allen anwesenden Vereinen vom Vorsitzenden eine
Erinnerungstafel in Form eines bemalten Ruderblattes überreicht wird.
Langsam versinkt die Sonne hinter goldgeränderten Abendwölkchen – bis zur eigentlichen Wende hat sie ja noch zwei Tage Zeit. Es ist inzwischen 22 Uhr geworden, uns lockt nach diesem anstrengende, aber schönen Tag nun der Bettzipfel.
Am nächsten Morgen sind wir wieder früh auf dem Wasser und werden die gleiche Strecke wieder zurück rudern. Der gut 10 Kilometer weitere aber dafür auch schönere Umweg über die „Schnelle Spree“ wird von allen als zu anstrengend abgelehnt.
Im Bootshaus in Königswusterhausen angekommen folgt natürlich die übliche Prozedur: Boote säubern und in die Halle stellen. Unsere freundlichen Gastgeber spendieren noch eine Tasse Kaffee, dann geht es nach einem ereignisreichen Wochenende mit wirklich schönem Ruderwetter wieder ab nach Hause.
Horst Störk
Download hier: Fürstenberg 2010