Arkona Blog

Herrenfahrt nach Ostfriesland vom 10.–16.09.2023

von | Okt 30, 2023 | 2023, Breitensport, Wanderfahrt

Was für ein Kon­trast! Im letz­ten Jahr das kris­tall­kla­re Was­ser des Vier­wald­stät­ter Sees, die­ses Jahr das bra­ckig brau­ne Was­ser der ost­frie­si­schen Entwässerungskanäle!

Aber gera­de das sta­chel­te unse­ren Ent­de­cker­drang an, die­sen von unzäh­li­gen Kanä­len und Grä­ben durch­zo­ge­nen Land­strich mal in Augen­schein zu neh­men. Unser Hotel „Boots­haus“ befand sich 15 km nörd­lich von Emden in der Bede­kas­pe­l­er Marsch, da wo sich Fuchs und Haas (bes­ser: Kuh und Schaf) Gute Nacht sagen. 

Hotel zum Boots­haus in Bedekaspel

Pünkt­lich – nach 6 Stun­den Fahr­zeit – erreich­ten die bei­den hoch­mo­der­nen Leih­fahr­zeu­ge das Objekt. Die Fah­rer schwärm­ten von den neu­es­ten Fines­sen der Auto­tech­no­lo­gie. So bremst das Fahr­zeug schon auf 40km/h ab, wenn das Navi eine Aus­fahrt vor­sieht. Ist das nun Fir­le­fanz, oder der ers­te Schritt zum auto­no­men Fah­ren und damit der Weg zur mobi­len Glück­se­lig­keit? Auch das kann man diskutieren.

Am Nach­mit­tag nah­men wir die im 19 Jahr­hun­dert errich­te­te Kes­sel­schleu­se in Emden in Augen­schein. Aus jeder Schleu­sen­kam­mer kann man die Fahrt in drei Rich­tun­gen fort­set­zen. Die Schleu­se ver­bin­det den Ems-Jade- Kanal mit dem Fehnt­jer Tief und dem Gewäs­ser­sys­tem der Emde­ner Stadtgräben. 

Emden Stadt­gra­ben

Am Abend nah­men wir bei ange­neh­men Tem­pe­ra­tu­ren auf der Ter­ras­se unse­res Hotels ein lecke­res Essen ein. Dabei kam es auch zum ein­zi­gen sprach­li­chen Missverständnis.

Bei Pan-Fisch han­delt es sich nicht etwa um einen tro­pisch inva­si­ven Fisch der Nord­see, son­dern um eine Varia­ti­on typi­scher Nord­see­fi­sche. Pan ist platt­deutsch und bedeu­tet so viel wie Pfan­ne. Das war lei­der die ein­zi­ge Begeg­nung mit dem frie­si­schen Platt.

Am nächs­ten Tag ging es um 8 Uhr zum Emder Ruder­ver­ein. (Sie­he Titel­bild) Hier erwar­te­te uns Hart­mut, der Wan­der­ru­der­wart des Ver­eins, er über­gab uns Schlüs­sel und Boo­te und mach­te uns mit dem Not­wen­digs­ten ver­traut. Die Boo­te sind erstaun­lich leicht und das von eini­gen geforderte:

„Jede Mann­schaft muss ihr Boot sel­ber tra­gen kön­nen!“ konn­te hier leicht rea­li­siert werden.

Die Knag­gen flutsch­ten nur so in den Schie­nen und schon bald lagen die Boo­te im Was­ser. Der ein oder ande­re war froh, dass er hier nicht steu­ern muss­te. Der Stadt­gra­ben ist recht eng, vie­le Büsche hän­gen übers Was­ser, Abzwei­ge lie­ßen sich oft nur durch eine Wen­de bewerk­stel­li­gen. Ich nahm mir fest vor, bei nächs­ter Gele­gen­heit die kur­ze Wen­de noch ein­mal zu üben. Ziel an die­sem Tag war das „Gro­ße Meer“, 

Am Gros­sen Meer

der viert­größ­te Bin­nen­see Nie­der­sach­sens mit 289 ha Aus­brei­tung und maxi­ma­ler Tie­fe von 1,30 Meter. Zum Glück fand der Land­dienst ein schat­ti­ges Plätz­chen für das Mit­tag­s­pick­nick, denn es war doch mit 30° noch ganz schön heiß. Die Rück­fahrt erfolg­te über das Knocks­ter Tief, vor­bei an unse­rem Hotel, nach Emden. Die Steu­er­leu­te muss­ten oft Goog­le Maps bemü­hen, denn bei so vie­len Abzwei­gun­gen ver­liert man schon mal die Ori­en­tie­rung. Das soll­te uns in die­ser Woche noch häu­fi­ger pas­sie­ren. Am Nach­mit­tag kam dann unser Ruder­ka­me­rad Klaus dazu. Ver­let­zungs­be­dingt konn­te er nicht mit im Boot sit­zen. Er beglei­te­te uns mit dem Fahr­rad und leg­te dabei den einen oder ande­ren Kilo­me­ter zurück. Hof­fent­lich sitzt er bald wie­der mit im Boot. Abends ging es zum Ita­lie­ner nach Nor­den. Nor­den ist in die­sem Fall eine Stadt. Hier wur­den wir von einem arg gestress­ten Wirt bedient, der zu allem Über­fluss sei­ne Toch­ter, die hin­ter dem Tre­sen stand, maß­re­geln muss­te. Sehr unprofessionell!

Am nächs­ten Tag ging es nach Older­sum. Erst­ma­lig konn­ten wir nun die Kes­sel­schleu­se nut­zen, um über das Fehnt­jer Tief nach Older­sum zu gelan­gen. Tief war vor allen Din­gen die Zug­brü­cke, so dass wir uns nur in lie­gen­der Posi­ti­on durch­han­geln konnten.

Kes­sel­schleu­se Emden

Nied­ri­ge Zug­brü­cke in Emden

Kühe und Fär­sen säum­ten unse­ren Weg. Kühe tra­gen heu­te modi­sche Hals­bän­der mit ein­ge­bau­tem Trans­pon­der. Sie stel­len sich pünkt­lich und dis­zi­pli­niert in Rei­he vor den Melk­sta­tio­nen an, um ihre Milch abzu­lie­fern. Der Bau­er sitzt dabei vor dem Com­pu­ter, nimmt die Mess­da­ten ent­ge­gen und sorgt für opti­ma­le Ver­sor­gung einer Groß­vieh­ein­heit. Da kön­nen sich die Tie­re in Ost­fries­land doch glück­lich schät­zen, dass sie hier auf die wei­ten Wei­den kom­men und gele­gent­lich in ihrer stoi­schen Art vor­bei­kom­men­de Ruder­mann­schaf­ten begrü­ßen können. 

Kuh­her­de am Wasser

Ems-Jade-Kanal

Über den schnur­ge­ra­den Ems- Jade-Kanal, der par­al­lel zur Ems ver­läuft, ging es zurück. Um 15:56 waren alle Boo­te wie­der ver­staut, um 16:01 fing es an zu reg­nen. Tol­le Planung!

Am Abend ging es zum aufs Feu­er­schiff  zum Essen. Das heu­ti­ge Muse­ums­schiff war ab 1917 als schwim­men­der Leucht­turm in der Deut­schen Bucht unter­wegs, bevor es 1984 sei­ner heu­ti­gen Bestim­mung zuge­führt wur­de. Sofern es Wind und Wet­ter erlau­ben, legt das Schiff ein­mal im Jahr zu einer Fahrt über den Dol­lard ab. 

Feu­er­schiff „Deut­sche Bucht“

Am Mitt­woch soll­te es nach Greet­siel gehen. Der erwar­te­te Regen stell­te sich prompt ein. Die ver­schie­de­nen Wet­ter­diens­te auf unse­ren Han­dys erga­ben unter­schied­lichs­te Pro­gno­sen. Wir ent­schie­den uns für die posi­ti­ve und taten gut dar­an, die weni­gen Trop­fen erfor­der­ten noch kein Anle­gen der Regen­be­klei­dung. Mit der Navi­ga­ti­on klapp­te es wie­der nicht so ganz. Wir ver­pass­ten den Abzweig. Soll­ten wir doch einen Lot­sen an Bord holen? Wie auch immer, nach 1,5 Stun­den waren wir in Hin­te, konn­ten uns die Bei­ne ver­tre­ten, die Sani­tär­an­la­gen der Gemein­de­ver­wal­tung nut­zen und den Land­dienst aus­tau­schen. Auf der Wei­ter­fahrt nach Greet­siel wur­den die Steu­er­leu­te arg gefor­dert durch eine gro­ße Zahl von Kur­ven und engen Durch­fahr­ten. Zu alle­dem gesell­te sich noch ein kräf­ti­ger Gegen­wind. Es zooooog sich, und Ver­mu­tun­gen kamen auf, dass sich die Ent­fer­nungs­an­ga­ben wohl auf altost­frie­si­sche See­mei­len bezie­hen. Nach 2,5 Stun­den erreich­ten wir Greet­siel und leg­ten die Boo­te auf einer Wie­se zwi­schen zwei Müh­len ab. 

 

 

 

 

Wur­de Greet­siel in frü­he­ren Jah­ren vom Meer über­flu­tet, so sind es heu­te die Tou­ris­ten, die flei­ßig in Sou­ve­nir- und Kla­mot­ten­lä­den stö­bern und sich feins­te Fisch­ge­rich­te ein­ver­lei­ben. Letz­te­res taten wir dann auch, unter ande­rem lie­ßen wir uns die klei­nen Nord­see­krab­ben ser­vie­ren, die hier Gra­nat heißen. 

Greet­siel zwi­schen den Mühlen

Im Hafen lie­gen noch eini­ge von die­sen dick­bäu­chi­gen Krab­ben­kut­tern mit ihren typi­schen Schlepp­net­zen, die an bei­den Sei­ten geführt wer­den. Im Hotel gab es dann noch den zur Gewohn­heit gewor­de­nen „Absa­cker“ bis die Bedie­nung um 21:45 die „last Order“ entgegennahm.

Krab­ben­fi­scher

Am nächs­ten Tag Bil­der­buch­wet­ter, 20° und leich­ter Schie­be­wind. Über das alte Greet­sie­ler Siel­tief ging es zurück. In Wir­dum leg­ten wir beim Motor­boot­ha­fen an. Ein Ver­eins­mit­glied öff­ne­te für uns die Sani­tär­an­la­gen und ich konn­te ein impro­vi­sier­tes Kurz­in­ter­view mit ihm füh­ren. Ca. 150 Alt­ein­ge­ses­se­ne ste­hen so unge­fähr 600 bis 800 Neu­be­woh­ner ‑so genau wuss­te er das auch nicht- gegen­über, die ihre schmu­cken Ein­fa­mi­li­en­häu­ser um den alten Dorf­kern grup­pie­ren. Die Neu­be­woh­ner pen­deln in die Städ­te Emden, Aurich und Nor­den. Die unte­re Was­ser­be­hör­de und die Motor­boot­be­sit­zer sind sich nicht immer dar­über einig, wie die Was­ser­we­ge zu nut­zen sind. Wir hat­ten an den 5 Tagen nur sehr sel­ten mit moto­ri­sier­tem Gegen­ver­kehr zu tun. Die Boo­te konn­ten wir heu­te direkt am Hotel festmachen. 

Boo­te lagern am Hotel

Dann ging es auch schon zu einer Stadt­be­sich­ti­gung und zum Abend­essen nach Leer. Auch auf dem plat­ten Land gibt es inzwi­schen Stau und infol­ge­des­sen lag zwi­schen Stadt­füh­rung und Restau­rant­be­such nur eine knap­pe Stun­de. Trotz­dem konn­ten wir in der Kür­ze viel über die Geschich­te Leers erfah­ren. Ich selbst konn­te ein paar Döne­kens bei­tra­gen, denn ich habe vor 52 Jah­ren in die­ser Stadt mei­nen Füh­rer­schein gemacht und an einer leich­ten Schrä­ge im Hafen­be­reich das Anfah­ren „am Berg“ üben müs­sen. Bekannt­heit hat Leer in letz­ter Zeit durch den Fries­land-Kri­mi gewon­nen. Die foren­si­sche Apo­the­ke­rin Frau Scher­zin­ger und der Bestat­ter Herr Habe­dank sind hier zuhau­se. Leer hat sei­nen Charme nur des­halb bewahrt, weil eine Bür­ger­initia­ti­ve vor 50 Jah­ren die Zer­stö­rung der his­to­ri­schen Innen­stadt ver­hin­der­te. Heu­te ist eine klei­ne Stra­ße, die zum Hafen führt, nach dem Initia­tor die­ser Bür­ger-initia­ti­ve benannt. Wir hät­ten dem Stadt­füh­rer ger­ne noch län­ger zuge­hört, aber Hun­ger und Appe­tit sind auch wesent­li­che Trieb­fe­dern mensch­li­cher Natur. So erklom­men wir die Gang­way um auf das Restau­rant­schiff „Spie­ker­oog“ zu gelan­gen. Dort erfreu­ten wir uns an fes­ten und flüs­si­gen Spei­sen und lie­ßen den Tag noch ein­mal Revue passieren.

Restau­rant Spiekeroog

Am Frei­tag ruder­ten wir vom Hotel zurück zum Ruder­ver­ein Emden über den schon bekann­ten Ort Hin­te. Der Emde­ner Stadt­gra­ben hat­te uns offen­sicht­lich so gut gefal­len, dass wir ihn gleich zwei­mal befuh­ren. Wo ist bloß der ver­flix­te Abzweig?  An einer ganz engen Stel­le muss­te uns auch noch eines die­ser Ams­ter­da­mer Grach­ten­boo­te mit vie­len Tou­ris­ten entgegenkommen.

Die Steu­er­leu­te meis­ter­ten dies mit Bra­vour. Die Boo­te wur­den dann mit der uns eige­nen Rou­ti­ne und Dis­zi­plin grund­ge­rei­nigt und auf den leicht­gän­gi­gen (!) Knag­gen abge­legt. Wir ver­ab­schie­de­ten uns von Hart­mut, dem Emder Ruder­wart, und bedank­ten uns für die Gast­freund­schaft mit einem klei­nen Geschenk. Die geplan­te Hafen­rund­fahrt in Emden muss­te lei­der aus­fal­len. Ein Motor­scha­den hat­te das Boot still­ge­legt. Wir ent­schie­den uns für eine Fahrt zum Pil­su­mer Leucht­turm, um ein­mal vom Deich aus einem Blick über den Dol­lard zum nie­der­län­di­schen Indus­trie­stand­ort Delf­zil zu werfen.

Der Pil­su­mer Leucht­turm ver­dankt sei­ne Beliebt­heit dem wohl bekann­tes­ten Ost­frie­sen Otto. Der Leucht­turm dien­te als Kulis­se für die ers­ten Otto-Filme.

Leucht­turm in Pilsum

Dem auf­merk­sa­men Leser die­ser Zei­len wird nicht ent­gan­gen sein, dass die­se vor 40 Jah­ren von Bernd Stoe­ckel initi­ier­te Wan­der­fahrt unter neu­em Namen fir­miert. Wir ändern das „Alt­her­ren­fahrt“ in „Her­ren­fahrt“, denn 1. füh­len wir uns so gar nicht alt. Alt wird man ja erst dann, wenn man sich auf nichts Neu­es mehr ein­lässt. 2. Wol­len wir natür­lich auch die jün­ge­ren Ver­eins­mit­glie­der für die­se Fahrt gewin­nen. Von „alten Zöp­fen“ soll­te man sich gele­gent­lich tren­nen. Die „Kap­pen­ord­nung“ wur­de erst­ma­lig auf die­ser Fahrt gestri­chen. Soll­te sie irgend­wann aus nost­al­gi­schen Grün­den wie­der aus­ge­gra­ben wer­den, so ist das auch okay.

Unser gemein­sa­mer Dank geht an das tol­le Fahr­ten­lei­ter – Duo Bernd Zer­ban und Bernd Stoeckel.

Wir freu­en uns jetzt schon auf die Fahrt im nächs­ten Jahr. Über das Ziel wird hart­nä­ckig geschwie­gen, aber man mun­kelt, spricht hin­ter vor­ge­hal­te­ner Hand und deu­tet ver­schie­de­ne Hin­wei­se. Aber nix Genau­es weiß man nicht.

Hein­rich Ohmes

Teil­neh­mer waren:

Albert Zel­ler, Rai­ner Ohm, Achim Bläck-Neu­mann, Micha­el Reh­der, Tho­mas Gilges-Klemmt, 

Axel Engel­mann (RV Col­le­gia), Hein­rich Ohmes, Andre­as Jahn, Bernd Zer­ban, Bernd Stoeckel

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