Mal sehen, ob das so weitergeht mit der Klimaveränderung: Vielleicht treffen wir uns bald zur Winterwanderung mit Badezeug und Sonnencreme an der Bürgerablage zum zünftigen Anschwimmen. Ganz so weit ist es zwar noch nicht, als wir uns am 11. Februar am S‑Bahnhof Wannsee treffen, aber vom Winter ist bei gepflegten 8 Grad weit und breit keine Spur. Wie immer sind von Bernd Stoeckel, der alles hervorragend organisiert hat, einige Stopps zur kulturellen Erbauung eingeplant. Da das „life-long-learning“ als Demenzbremse wichtig ist, hören wir gerne zu. Und interessant ist es sowieso, wenn man sich z.B. mal das Bahnhofsgebäude aus Klinkersteinen genauer ansieht, das 1927/28 errichtet wurde (Architekt Richard Brademanns).
Wir gehen anschließend quer über die Straße, was eigentlich durch einen Zaun auf dem Mittelstreifen verhindert werden soll. Unvorsichtige Menschen, die sich den Umweg von 30 Metern zur Ampel ersparen wollen, haben in Selbsthilfe ein Zaunelement entfernt, so dass auch wir den direkten Weg zum Bismarckdenkmal und der Borussia nehmen können. Von Bismarck ist nur der Oberkörper auf einem gemauerten Sockel zu sehen (das Original von Begas steht in voller Pracht am Großen Stern), die Borussia sieht melancholische Schönheit auf dem Wannsee.
Wir wollen am Kleinen Wannsee, Pohlesee und Stölpchensee entlang gehen, um im Restaurant „Zum grünen Baum“ in Stolpe einkehren zu können. Erstmal aber Halt am Kleist-Denkmal, wo sich der Dichter 1811 gemeinsam mit seiner Bekannten Henriette Vogel erschossen hat. Es gibt unterschiedliche Ansichten, ob dies an genau dieser Stelle stattgefunden hat oder näher am Wasser. Einige Wanderer glauben sich zu erinnern, dass das Denkmal früher (60-er Jahre) direkt am Ufer stand. Who knows? Zumindest ist bekannt, dass die Begräbnisstätte 2009 umgestaltet wurde.
Wir gehen dann die Bismarckstraße entlang, weil der Uferbereich von Häusern mit Gärten beschlagnahmt wurde, für die die Begriffe „Villa“ und “Park“ manchmal untertrieben sind. Besonders das früher einem Bankier gehörende Anwesen „Haus Schoenberg“ in der Bismarckstraße 30 A erregt unsere Aufmerksamkeit. Neben dem schlossähnlichen Wohnhaus ist u.a. die Tatsache interessant, dass der Besitzer 1945 sein Leben verlor, als er russischen Soldaten den Zutritt zu seinem Weinkeller verwehren wollte. Was wir schon immer ahnten: Reichtum macht nicht in jedem Falle glücklich. Und schützt keinesfalls vor Dummheit.
Am Ende der Straße führt ein schmaler Weg zum Ufer des Kleinen Wannsees, der an der „Wehrhorn“ genannten Landspitze in den Pohlesee übergeht. Jetzt geht es wirklich direkt am Wasser entlang, wo wir nur auf wenige Spaziergänger auf dem sogenannten Sieben-Raben-Weg treffen. Ein Hund weigert sich, den Ball, den Frauchen in den See geschleudert hat, zurückzuholen. Zu kaltes Wasser, schlecht erzogen oder einfach schlauer als die Besitzerin?
Im Kanal zwischen Stölpchensee und Pohlesee sehen wir einigen Ruderbooten bei der Arbeit zu. Die meisten von uns kennen die Gegend ja nur von der Wasserseite her. Zu Fuß ist es aber auch mal nicht schlecht. Ein Ruderfreund berichtet, dass sich hier vor langen Jahren eine Art Amphitheater befunden hat, von dem allerdings bestenfalls ein paar Grundmauersteine übriggeblieben sind. Wir überqueren die Alsenbrücke nicht, sondern wenden uns nach links, um den Stölpchensee zu umrunden. Auf der Ostseite sieht man noch das Wasser, später ist das Ufer aber mit mehr oder weniger langweiligen Häusern verbaut. Hier wohnt sozusagen die 2. Klasse der Oberschicht, die neben dem SUV nur noch einen weiteren Wagen in der Garage hat. Neid? Nein Danke!
Kurz vor unserem Ziel sehen wir noch in die Kirche am Stölpchensee hinein. Ein kleines, harmonisches Gotteshaus mit schlichtem Innenraum. Protestantisch eben. Um Punkt 12 ertönt per Glockenspiel „Lobet den Herren…“ und „Üb‚ immer treu und Redlichkeit“. Dann fallen wir nach dem kleinen Spaziergang nicht ausgehungert aber mit Appetit in das neben der Kirche liegende Gasthaus „Zum grünen Baum“ ein. Das Essen ist überdurchschnittlich gut, die Preise der Gegend angemessen.
Mit dem Bus kann man in weniger als 15 Minuten zum S‑Bahnhof Wannsee zurückfahren. Man kann gespannt sein, was nächstes Jahr passiert (siehe Anfang). Halten wir uns an die leicht abgewandelte Werbung einer Baumarktkette: „Es gibt immer was zu lernen…“
Klaus Becker