WFr: Marlene, Du bist vor zwei Jahren zur Trainingsmannschaft der RU Arkona gestoßen. Bereits nach einem Jahr hast Du auf den U‑17 Meisterschaften Bronze im Doppelzweier und Gold im Doppelvierer gewonnen und in diesem Jahr auch gleich bei den U19-Juniorinnen erneut den Meistertitel im Doppelvierer gewonnen. Worauf führst Du im Wesentlichen diese überraschend schnelle Entwicklung zurück?
Marlene: Naja also ich würde sagen ich habe einfach den richtigen Zeitpunkt und die richtigen Leute erwischt, die mich ab dem ersten B‑Juniorenjahr bei Arkona und in der Trainingsgruppe gefördert haben. Das hat mich sehr angespornt und führt dazu, dass ich immer beim Training motiviert bin. Dazu kommt mein Ehrgeiz und dass ich nicht möchte, dass meine, sowieso schon geringe, Trainingszeit verschwendet wird.
WFr: Nach dem Gewinn der deutschen Meisterschaft wurde die Mannschaft auch gleich für die Junioren-WM in Plovdiv nominiert und bereitete sich dann in einem 4‑wöchigen Lehrgang an der Regattastrecke in Berlin-Grünau auf die WM vor. Wie oft habt Ihr täglich trainiert? Gab es in Grünau auch die Möglichkeit, sich außerhalb des Trainingslagers mal mit anderen Dingen als Rudern zu beschäftigen?
Marlene: Normalerweise hatten wir zwei bis drei Trainingseinheiten am Tag, diese waren mal mehr und mal weniger intensiv. Außerhalb des Trainings gab es nicht viele Möglichkeiten etwas zu machen, da wir in unserer “Bubble” bleiben sollten um nicht das Virus unter die Mannschaft zu mischen. Das Highlight des Tages war dann meist schon ein Einkauf bei Edeka 😉
WFr: In Plovdiv habt Ihr dann auch gleich mit dem Sieg im Vorlauf Ansprüche auf einen Medaillenplatz angemeldet und dann im A‑Finale nach hartem Bord-an-Bord-Kampf Bronze gewonnen. Was überwog – Enttäuschung über den entgangenen WM-Titel oder Freude über den Gewinn der Bronzemedaille?
Marlene: Da überwog ganz klar die Freude. Wir hatten natürlich auf einen Medaillenplatz gehofft, doch nach so einem harten Rennen am Siegersteg die Bronzemedaille im Empfang zu nehmen war einfach unglaublich!
WFr: Rückblickend auf den Saisonverlauf mit der Teilnahme an der WM und dem Bronzerang: Du durftest bzw. musstest vier Wochen hartes Training und dann noch eine Woche WM in Bulgarien absolvieren, während Gleichaltrige sechs Wochen Sommerferien mit Familie oder Freundinnen bzw. Freunden genießen können. Hat sich der ganze Aufwand verbunden mit erheblichen persönlichen Einschränkungen gelohnt?
Marlene: Also für mich auf alle Fälle! Das Training war zwar oft hart, aber man weiß ja, warum man da ist und hat ein ganz klares Ziel vor Augen. Während der UWV lernt man ja auch so viele neue Leute aus ganz Deutschland kennen, die alle dasselbe Ziel haben wie man selbst. Da herrscht eine ganz besondere Stimmung. Man sammelt natürlich auch ganz besondere Erinnerungen mit der Mannschaft, im Training und auf der Weltmeisterschaft selbst, an die man sich dann noch lange gerne zurückerinnert. Die gesamte Zeit war natürlich mit vielen Anstrengungen und Einschränkungen verbunden, doch am Ende bin ich total dankbar für jeden Tag, den ich mit der Mannschaft in Deutschland und Bulgarien verbringen durfte. Dass wir auch noch eine Medaille mit nachhause nehmen durften, hat dem Ganzen dann nochmal das Sahnehäubchen aufgesetzt.
WFr: Nach der Saison ist vor der Saison. In 2022 startest Du im zweiten A‑Juniorinnenjahr. Nach einem zeitlichen Abstand von mehreren Wochen – welche sportlichen Ziele hast Du Dir für das nächste Jahr vorgenommen?
Marlene: Mein Ziel für die Saison 2022 ist auf alle Fälle mich bei den Kleinbootüberprüfungen bestmöglich zu präsentieren, um dann hoffentlich wieder für einen internationalen Wettkampf nominiert zu werden und bei der Deutschen Meisterschaft erfolgreich teilzunehmen.
WFr: Und noch eine abschließende Frage: Fühlst Du Dich von Arkona gut gefördert und betreut? Was könnte Arkona noch besser machen?
Marlene: Ich fühle mich von Arkona sehr gut unterstützt, vom Material über die Trainer bis zum menschlichen Miteinander passt alles. Ich bin Arkona sehr dankbar für die viele Unterstützung, Förderung und Betreuung und könnte mir nichts vorstellen, was besser laufen könnte!
Fragen an Louisa Neuland:
WFr: Louisa, nach dem Kinderrudern und dem anschließenden recht erfolgreichen Juniorentraining hast Du unmittelbar nach Deiner Trainingszeit in 2014 die C‑Übungsleiterlizenz erworben. Wie hast Du reagiert, als Du in 2021 unmittelbar nach den deutschen Juniorenmeisterschaften vom Deutschen Ruderverband den Auftrag erhieltst, den deutschen Doppelvierer um unsere Schlagfrau Marlene Schollmeyer für die WM vorzubereiten und zu trainieren?
Louisa: Natürlich stand die sportliche Leistung der Mädels immer im Mittelpunkt und die eigene Nominierung war nur ein untergeordnetes Ziel, über das ich mir im Vorfeld der DJM nicht wirklich gestattet habe nachzudenken.
Als dann jedoch der Meisterschaftstitel sicher war und ich den Anruf erhielt, dass ich mich zu Einkleidung begeben sollte, ist mir wirklich klar geworden, dass nicht nur meine Mädels, sondern auch ich persönlich diese Nominierung erreicht hatten. Damit habe ich als Trainerin das geschafft, was mir damals als Aktive nie gelungen ist. Das macht mich sehr stolz und ich bin froh, dass ich diesen Weg gemeinsam mit Marlene gehen durfte.
WFr: Vier Wochen Vorbereitung in Berlin-Grünau und eine Woche WM in Plovdiv unter Coronabedingungen – wie hält man vier junge A‑Juniorinnen bei Laune und motiviert sie, alles dem Ziel einer erfolgreichen WM-Teilnahme unterzuordnen?
Louisa: Grundsätzlich bringen Sportlerinnen, die sich über eine harte Saison eine WM-Nominierung erarbeitet haben, schon von sich aus eine hohe Disziplin und großen Ehrgeiz mit. Allerdings war die Vorbereitung nicht immer einfach, da wir in der UWV viele krankheitsbedingte Ausfälle hatten, nach denen sich das ganze Team immer wieder aufs Neue zusammenraufen musste. Trotzdem haben wir uns immer wieder auf das gemeinsame Ziel – den A‑Final-Einzug in Plowdiw – konzentriert und haben alle als Teil des Teams hart daran gearbeitet. Zum Glück haben die Mädels auch ihre gute Stimmung an Land und auf dem Wasser beibehalten, sodass alle die lange Zeit in Grünau trotz der Ausfälle gut gemeistert haben.
WFr: Der Juniorinnen-Doppelvierer wurde „quer durch Deutschland“ besetzt mit Ruderinnen aus Heidelberg, Stralsund und Berlin. Neben mentalen Problemen gab es doch sicherlich auch verschiedene Voraussetzungen in der Rudertechnik. Gab es da auch mal Zweifel, aus den VIEREN eine international konkurrenzfähige Mannschaft entwickeln zu können?
Louisa: Im U19-Bereich findet zum ersten Mal überhaupt ein Internationaler Vergleich statt, wodurch sich die Konkurrenz immer schwer einschätzen lässt, sodass man zunächst quasi „blind“ anreist. Zu Beginn ist zu sagen, dass die vier Mädels tatsächlich eher wie vier in ein Boot gesteckte Einer-Fahrerinnen wirkten. Es war meine Aufgabe und auch Herausforderung als Bootstrainerin, sie als Team zu formen und zusammenzubringen. Allerdings hat sich schon im Training gezeigt, dass sie mit zunehmender Abstimmung auch in Relation zu den anderen deutschen Booten immer schneller wurden, sodass wir mit einem guten Gefühl nach Plowdiw anreisen konnten. Trotzdem konnten wir uns aufgrund unseres schwächeren und dadurch weniger aussagekräftigen Vorlauf bis zum Finalsonntag nicht sicher sein, wie wir unsere Leistung im internationalen Vergleich wirklich einzuschätzen hatten.
WFr: Eine Frage, die ich auch Marlene gestellt habe: Auf der WM hat Dein Team mit dem Sieg im Vorlauf Ansprüche auf einen Medaillenplatz angemeldet und dann im A‑Finale nach hartem Bord-an-Bord-Kampf Bronze gewonnen. Was überwog – Enttäuschung über den entgangenen WM-Titel oder Freude über den Gewinn der Bronzemedaille?
Louisa: Das gemeinsame Ziel des Teams war es zunächst nur uns ins A‑Finale zu rudern, welches wir mit dem Vorlaufsieg erreicht hatten. Mit dem positiven Gefühl, mit dem wir aus dem Vorlauf ins A‑Finale gehen konnten, haben wir uns vorgenommen eine Medaille im Finalrennen mit nach Hause zu nehmen. Alle, die das Rennen mitverfolgt haben, konnten sehen, dass wir nicht die Silber-Medaille verloren haben, sondern die Bronze-Medaille gewonnen haben. Damit konnten wir die WM sehr positiv und mit großer Freude als Team gemeinsam abschließen und wissen, dass wir alle alles gegeben.
WFr: Bei Deiner Trainerzwischenstation beim RVB 1878 hattest Du mit den Nachwuchskräften schon nationale Titel erzielt und mit mehreren Juniorinnenmeistertiteln in 2020 und 2021 diese Erfolgsserie bei Arkona fortgesetzt. Als noch sehr junge Trainerin hast Du nun mit WM-Bronze auch Deinen ersten internationalen Titel errungen. Wie geht es nun weiter? Im Bereich des gesamten Deutschen Ruderverband herrscht ein Mangel an qualifizierten Trainern. Sind schon Anfragen von anderen Vereinen und Landesverbänden eingegangen?
Louisa: Nach den sehr aufregenden und zeitintensiven Jahren als Trainerin werde ich mich nach der Europameisterschaft im Oktober etwas zurückziehen und in meinem Heimatverein die Nachwuchsarbeit unterstützen und mein Lehramtsstudium voranbringen. Anfragen gab es in diesem Sinne ein paar aber ich weiß, dass ich mich jetzt erstmal auf meine berufliche Zukunft und Ausbildung kümmern muss.
WFr: Dein Studium (Lehramt Sport und Wirtschaft) steht in 2023 vor dem Abschluss. Wirst Du es Dir aus zeitlichen Gründen danach überhaupt noch leisten können, dem Rudersport als Trainerin zur Verfügung zu stehen.
Louisa: Es ist klar, dass meine berufliche Zukunft jetzt erstmal im Mittelpunkt steht, dennoch werde ich nie ganz ohne den Trainerjob leben können. Und wer weiß, vielleicht öffnen sich ja neue Türen, in denen ich die Trainertätigkeit mit dem Lehrberuf vereinen kann.
WFr: Das Trainerdasein auf diesem Niveau ist kein Ponyhof. Hast Du den Eindruck, dass Dein immenser Aufwand (Vollzeit vier Wochen Trainingslager zur Vorbereitung der WM und eine Woche WM) und Dein Engagement auch vom Deutschen Ruderverband und dem Verein angemessen honoriert werden? Was ist noch zu verbessern?
Louisa: Natürlich ist es schwierig, den Aufwand und die Entschädigung ins Verhältnis zu setzen. Ich bin den vier Wochen meiner Leidenschaft nachgegangen und bin der Meinung, dass vorab eine bessere Abstimmung der finanziellen Absicherung geklärt werden sollte.
Im Oktober steht die Europameisterschaft der Juniorinnen und Junioren in München an und Louisa wird erneut im Auftrag des DRV den deutschen Doppelvierer mit unseren A‑Juniorinnen Laura Czerr und Ayse Gündüz vorbereiten, der bei den nationalen Meisterschaften den Bronzerang erzielte. Wir wünschen Louisa , Ayse und Laura viel Erfolg auf der Münchener Regattastrecke.
Die Interviews wurden geführt von Werner Fromm