Das kann doch nicht wahr sein: Schneeflocken! Und das mitten im Winter! Was beim Frühstück noch nach einer Sensation aussah, entpuppt sich schnell als Strohfeuer. Als wir uns pünktlich um 10 Uhr am U‑Bahnhof „Altstadt Spandau“ versammeln, ist der Spuk schon wieder vorbei und der Himmel ist grau und trübe mit einer leichten Tendenz zu Sprühregen, wie so oft in diesem Januar.
Die ersten Schritte von Bernd Stoeckels Stadtführung lenken uns in den Kolk. Diesen ältesten Teil Spandaus (dass Spandau älter als Berlin sei, darf als Bemerkung natürlich nicht fehlen) kennen nicht alle der angetretenen Winterwanderer. Wir sehen ein Stück alter Stadtmauer, um anschließend die Schleuse mal nicht aus der Ruderbootperspektive zu betrachten.
Unter der Juliusturmbrücke gehen wir ein Stück am Havelufer, das hier Lindenufer heißt, entlang, um alsbald am Mahnmal für die zerstörte Spandauer Synagoge in die Altstadt zu schwenken.
Wir sehen das Gotische Haus, die Nikolai-Kirche, den Markt und einige erinnern sich noch an Zeiten, als hier der Verkehr brauste und Straßenbahnen, Busse und jede Menge Autos durch Spandaus Zentrum fuhren. Offenbar gab es also schon damals „grüne“ Politiker, die den Autofahrern ihren angestammten Platz streitig machten!
Zurück zum Lindenufer überqueren wir den Mühlengraben, in dem schon oft Arkona-Boote zum Besuch des Weihnachtsmarktes festgemacht haben. Wir unterqueren die Bahngleise und die Dischingerbrücke an dem jetzt Schifffahrtsufer heißenden Weg entlang. Bevor wir den Burgwallgraben überqueren, erholen wir uns von dem zurückgelegten Kilometermarsch und laben uns an Dagmar Stoeckels Glühwein. Wie immer ist an das Wichtigste gedacht. Erste Sonnenstrahlen durchbrechen zur Belohnung die Wolkendecke ohne entscheidende Wärme zu spenden.
Wir folgen dem Burgwallgraben ein paar Meter, um auf die Schulenburgbrücke zu gelangen und in den Tiefwerderweg einzustechen. Es ist eine dörfliche Straße mit kunterbunt gemischter Bebauung, alt und neu wechseln sich ab, manchmal liegt eine Brache dazwischen. Hinter der Brücke über den Großen Jürgengraben, durch den man fahren muss, wenn man das Wagnis eingeht vom Stößensee durch Klein Venedig zum Südhafen zu rudern, heißt der Weg einfach „Dorfstraße“ (Bernd Stoeckel erzählt, dass er in grauer Vorzeit diese Strecke mit einem Achter bespielen wollte, was nicht gelang. Wie das Boot wieder in ruderfähiges Fahrwasser kam, bleibt unklar. Wahrscheinlich liegt der Achter noch irgendwo dort…). Einige alte Fischerhäuser (schön renoviert) kann man noch erkennen. Dass es sich um eine slawische Siedlung handelte, wie so häufig in Berlin und Brandenburg, natürlich nicht.
Am Wassersportverein „Helios“ halten wir uns rechts und biegen in einen namenlosen Weg ein, der den Kleinen Jürgengraben auf einer Art Steg überquert, um endlich den Wanderweg längs der Havel (Backbord-Seite, wenn man nach Süden rudert) zu erreichen. Schöner Wanderweg, links Kleingärten, z.T. verwildert. Als sich die Landschaft zu den Tiefwerder Wiesen hin öffnet, sehen wir keine Wasserbüffel. Ob sie den Winter im Freien verbringen?
Wir kommen zur Freybrücke und erfahren vom VL, dass die Heerstraße von der Stößenseebrücke bis hier auf einer mehr als ein Kilometer langen Brücke gebaut werden sollte. Aus welchen Gründen auch immer wurde von dem Plan Abstand genommen und ein Wall aufgeschüttet, auf dem die fünfspurige Straße nun liegt. Wir trödeln langsam oder zügiger, je nach Hungergefühl, die Straße Alt-Pichelsdorf entlang und biegen in einen schmalen Weg nach links zu einer nur wenige Parzellen umfassenden Kleingartenanlage ein. Früher reichten die Kleingärten bis fast ans Seeufer und waren mit der Kolonie Bocksfelde verbunden. Die Parzellen drei und vier wurden bzw. werden von bedeutenden Persönlichkeiten bewirtschaftet. Zaun an Zaun liegen der ehemalige Garten von Albert Einstein und der von Ruderkamerad Bernd Zerban! Jetzt noch den vor kurzem eröffneten, frisch renovierten Promenadenweg entlang , an dem höchstens zwei Jahre gewerkelt wurde, und schon lassen wir uns doch recht durchgefroren zum Chiliessen in unserer Ökonomie nieder. Parallel verläuft ein Geburtstagsbuffet, was aber Thomas und Kerstin wie immer souverän meistern.
Fazit: Eine Winterwanderung, natürlich ohne Schnee, die wieder mal dem Prinzip des
„life-long-lerning“ aufs Schönste gerecht wurde. Vielen Dank an Bernd und Dagmar Stoeckel.
Klaus Becker